Provokante Texte zu synthesizer-lastigem Gitarren-Pop brachten der Band "Wir sind Helden" grandiose Erfolge: über zwei Millionen verkaufte Tonträger insgesamt und den Ruf, Wegbereiter für die
Neueste Deutsche Welle zu sein. Insbesondere die gesellschaftskritischen Töne ließen aufhorchen. Bereits in ihrer ersten Single "Guten Tag" forderten die Sängerin Judith Holofernes und die
Bandmitglieder Mark Tavassol, Jean-Michel Tourette und Pola Roy "Visionen gegen die totale Television". In ihrer Single "Die Konkurrenz" von 2008 warnen sie vor dem Verlust gesellschaftlicher
Ideale in der Ellbogengesellschaft: "Ihr singt: Alle für einen, einer für alle! / Dann kommt einer und macht alle anderen alle."
Synthesizer und arabische Laute
Fast drei Jahre sind vergangen, bevor die Band dieser Tage mit "Bring Mich Nach Hause" ihr Comeback antritt. Das neue Album ist erfrischend anders, inhaltlich und stilistisch. Nicht
Finanzkrise oder die immer größer werdende Kluft zwischen Reich und Arm beschäftigt die Band, sondern die Fragen nach dem ganz persönlichen Glück. Eine recht überraschende Wende. Noch kurz vor
ihrer Auszeit hatten "Wir sind Helden"sich gesellschaftspolitisch sehr stark engagiert. Doch im August 2009 wurden Judith Holofernes und ihr Mann Pola Roy zum zweiten Mal Eltern. Vielleicht
haben sie sich auch deswegen für einen anderen Ansatz entschieden. Besonders deutlich wird dies in dem wunderschönen Song "Im Auge Des Sturms", wo es heißt: "Der Sturm peitscht turmhohe Wellen in
Pfützen, reißt Dackel von Leinen, stiehlt Kinder und Mützen. / Macht Halt und brüllt nach dir. Aber du bist hier bei mir. / Still im Auge des Sturms."
Stilistisch bietet das Album einen vielseitigen Pop-Sound; der Synthesizer wird diesmal unter anderem von Banjo, Akkordeon und arabischen Lauten ersetzt. Warum sich also über den Zustand der Welt beklagen? "Bring Mich Nach Hause" regt auch ohne die kritischen Zeilen an, darüber nachzudenken, was wirklich zählt im Leben: Liebe, Träume, Hoffnung. Besser hätten sich "Wir sind Helden" nicht zurückmelden können.