Kultur

"Warum hassen sie uns?"

von Die Redaktion · 7. Oktober 2005

Unter dem Titel "Warum hassen Sie uns?" hat der langjährige

Chomsky-Übersetzer Michael Haupt einige von Noam Chomskys

Polemiken aus den vergangenen fünf Jahren veröffentlicht.

Als "des Teufels Buchhalter" (Larissa MacFarquhar) notiert der

Linguist Chomsky die Untaten der US-amerikanischen Außenpolitik.

Immer wieder, in immer neuen Wendungen - alte Geschichten und neue Konflikte: Vietnam, Nicaragua, Kuba, Ost-Timor, Kosovo, Afghanistan, Irak und Israel-Palästina.

Scharfzüngig und hellsichtig, wenn er die herrschenden Begriffe analysiert: "Terroristen" sind immer nur die anderen, obwohl die eigene Regierung dasselbe tut. Auch "Schurkenstaaten" sind nur die anderen.

Chomskys Vergleiche, die von dem Grundsatz ausgehen,

das für alle das gleiche Recht gelten müsse, sind bestechend.

Die Kritik von Chomsky ist allerdings manchmal zu einfach

- nicht weil er die Verhältnisse beim Namen nennt, sondern

weil er im Sog der Supermacht gefangen bleibt. Er kritisiert nur

die Politik seines Landes, er analysiert keine Beziehungsgeflechte.

Er hat dafür respektable Gründe. Als Amerikaner fühlt er sich verantwortlich

für die Politik seines Landes - oder wie es früher in der Linken hieß:

Der Feind steht immer im eigenen Land. Respektabel,

aber es mindert den informativen Wert seiner Texte.

Alle anderen Akteure auf der Weltbühne werden zu

einer quantité négligeable. In seiner Analyse des Kosovo-Konfliktes

kommen die auf den Krieg drängenden europäischen

NATO-Staaten - unter anderen auch Deutschland - kaum vor.

Für das deutsche Publikum muss man aber wohl ergänzen, dass

in diesem Fall die amerikanische Regierung keineswegs allein

für den Krieg verantwortlich gemacht werden kann.

Die von Michael Haupt getroffene Textauswahl ist gelungen:

kompakte, relativ kurze Texte, in denen die großen Konflikte

der letzten Jahre behandelt werden. Und er dokumentiert, dass

Chomsky nicht unfehlbar ist. Im Oktober 2001 warnte er vor einer

drohenden Hungerkatastrophe in Afghanistan. Seine Vorhersagen

trafen nicht ein. Daraus kann man ihm kaum einen Vorwurf machen,

er hat damals die Warnungen von seriösen Hilfswerken wiedergegeben.

Aber wer Propaganda entlarvt, sollte selbst nicht vorschnell von

"stillem Völkermord" reden. Was Chomsky heute dazu sagt?

Der Kritiker der Macht hat immer Recht. Die Verteidigung seiner

damaligen Einschätzung kann man im Internet nachlesen

(www.zmag.org/content/ showarticle.cfm?SectionID=40& ItemID=8660 ).

Von Christoph Fleischmann

0 Kommentare
Noch keine Kommentare