Unter dem Titel "Warum hassen Sie uns?" hat der langjährige
Chomsky-Übersetzer Michael Haupt einige von Noam Chomskys
Polemiken aus den vergangenen fünf Jahren veröffentlicht.
Als "des Teufels Buchhalter" (Larissa MacFarquhar) notiert der
Linguist Chomsky die Untaten der US-amerikanischen Außenpolitik.
Immer wieder, in immer neuen Wendungen - alte Geschichten und neue Konflikte: Vietnam, Nicaragua, Kuba, Ost-Timor, Kosovo, Afghanistan, Irak und Israel-Palästina.
Scharfzüngig und hellsichtig, wenn er die herrschenden Begriffe analysiert: "Terroristen" sind immer nur die anderen, obwohl die eigene Regierung dasselbe tut. Auch "Schurkenstaaten" sind nur
die anderen.
Chomskys Vergleiche, die von dem Grundsatz ausgehen,
das für alle das gleiche Recht gelten müsse, sind bestechend.
Die Kritik von Chomsky ist allerdings manchmal zu einfach
- nicht weil er die Verhältnisse beim Namen nennt, sondern
weil er im Sog der Supermacht gefangen bleibt. Er kritisiert nur
die Politik seines Landes, er analysiert keine Beziehungsgeflechte.
Er hat dafür respektable Gründe. Als Amerikaner fühlt er sich verantwortlich
für die Politik seines Landes - oder wie es früher in der Linken hieß:
Der Feind steht immer im eigenen Land. Respektabel,
aber es mindert den informativen Wert seiner Texte.
Alle anderen Akteure auf der Weltbühne werden zu
einer quantité négligeable. In seiner Analyse des Kosovo-Konfliktes
kommen die auf den Krieg drängenden europäischen
NATO-Staaten - unter anderen auch Deutschland - kaum vor.
Für das deutsche Publikum muss man aber wohl ergänzen, dass
in diesem Fall die amerikanische Regierung keineswegs allein
für den Krieg verantwortlich gemacht werden kann.
Die von Michael Haupt getroffene Textauswahl ist gelungen:
kompakte, relativ kurze Texte, in denen die großen Konflikte
der letzten Jahre behandelt werden. Und er dokumentiert, dass
Chomsky nicht unfehlbar ist. Im Oktober 2001 warnte er vor einer
drohenden Hungerkatastrophe in Afghanistan. Seine Vorhersagen
trafen nicht ein. Daraus kann man ihm kaum einen Vorwurf machen,
er hat damals die Warnungen von seriösen Hilfswerken wiedergegeben.
Aber wer Propaganda entlarvt, sollte selbst nicht vorschnell von
"stillem Völkermord" reden. Was Chomsky heute dazu sagt?
Der Kritiker der Macht hat immer Recht. Die Verteidigung seiner
damaligen Einschätzung kann man im Internet nachlesen
(www.zmag.org/content/ showarticle.cfm?SectionID=40& ItemID=8660 ).
Von Christoph Fleischmann
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