Kultur

Warnung vor dem Freunde

von Dagmar Günther · 8. Mai 2008

Das vorliegende Buch verneint diese Hoffnung und argumentiert, dass die amerikanische Weltpolitik weniger von Personen als durch Jahrhunderte alte Überzeugungen und Traditionen geprägt ist. Die Ära Bush erscheint hierbei, entgegen der in deutschen Medien getragenen Sicht, keineswegs als Bruch mit dieser. Besondere Bedeutung wird der starken religiösen Prägung der USA beigemessen, der die Autorin Marcia Pally das erste von drei Kapiteln widmet.

In einem historischen Querschnitt durch die Epochen beleuchtet sie die gesellschaftliche Rolle des Evangelikalismus als Fürsprecher von Demokratie und Liberalismus in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht. Diese Verbindung beeinflusse die stark missionarisch-expansionistische Tradition der amerikanischen Politik: auf dem Weg der Erschließung bis zum Pazifik, über die Hegemonie des gesamten amerikanischen Kontinents bis zur Weltmacht. Diese Prägung reflektiere sich auch in der Rhetorik. Das formulierte Selbstverständnis der USA als Vorkämpfer der Freiheit mit göttlichem Segen sei hierbei keineswegs als Novum der letzten Jahre zu betrachten, sondern als immer wiederkehrendes Motiv: ob im Kampf gegen die europäischen Kolonialmächte, den Kommunismus oder heute den radikalen Islamismus.

Tradition der Außenpolitik

Solche Kontinuitäten stellt die Autorin auch im folgenden Kapitel fest. So bestimmte der Interventionismus seit jeher die US Außenpolitik; Isolationistische Phasen bildeten die Ausnahme. Direkte militärische Aktionen, subversive Geheimdienstaktionen oder "Dollar-Diplomatie" hätten schon im 19. Jahrhundert den Grundstein für den Aufstieg zur Weltmacht gelegt. Nur so konnten die USA ihren Machtanspruch verteidigen und seiner Wirtschaft die benötigten Rohstoffe und Absatzmärkte sichern, so Marcia Pally. Nicht selten sei man hierbei in Konflikt mit den eigenen Grundsätzen von nationaler Selbstbestimmung und Demokratie geraten. Mit zahlreichen Beispielen legt die Autorin dar, wie die US-Außenpolitik zum Schutz nationaler Interessen auch Diktatoren unterstützte oder gar - wie im Fall von Kuba - vor der indirekten Unterstützung terroristischer Gruppierungen nicht zurückschreckte.

Motive der Außenpolitik

Der Frage, wie dieser Gegensatz von demokratischen Grundsätzen und kalter Machtpolitik möglich ist, wird im dritten Kapitel nachgegangen. Als entscheidend betrachtet Marcia Pally hier die Grundüberzeugung, dass wirtschaftlicher Liberalismus automatisch in der Welt zu Wohlstand und Freiheit führe. Wirtschaftliche Interessen der eigenen Industrie griffen mit der missionarischen Überzeugung zur Demokratisierung der Welt ineinander. Erfolgreich war man hierbei im Deutschland und Japan der Nachkriegszeit. Jedoch stelle diese Form des "Nation-Buildings" in den über 200 Jahren US-Außenpolitik die klare Ausnahme dar.

Insofern ist die Politik unter Bush keineswegs ein Bruch mit alten Traditionen, stellt die Autorin klar. Unilaterale Militäraktionen hätten eine lange Geschichte, die nicht erst mit dem Irak-Krieg begann. Die wirtschaftlichen Motive, in diesem Falle die reichen Ölvorkommen des Landes, passten ebenso in das Muster. Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass auch in den Reihen der Demokratischen Partei wie auch dem amerikanischen Volk, dieser Krieg breite Unterstützung erfuhr. Die zunehmend kritischen Stimmen in der amerikanischen Öffentlichkeit seien nicht Ausdruck einer veränderten Grundüberzeugung, sondern das Resultat mangelnder Erfolge.

Auch wenn die historisch sehr breit angelegte Darstellung stellenweise eine tiefergehende Analyse vermissen lässt, gelingt Marcia Pally eine zweifelsohne überzeugende und lesenswerte Argumentation ihrer These.

Ulf Lindner

Marcia Pally: Warnung vor dem Freunde, Tradition und Zukunft der US-amerikanischen Außenpolitik, Parthas Verlag, Berlin 2008, 19,80 €. ISBN: 978-3-86601-601-9

Ab Mitte Mai wird Marcia Pally ihr neues Buch "Warnung vor dem Freunde" auf einer Lesereise in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorstellen. Termine und Orte:

14.05.08, 17:15 Uhr, Zürich, ETH

http://www.ethz.ch

19.05.08, 20:30 Uhr, Berlin, Literarischer Salon im BKA-Theater

http://www.salonkultur.de

26.05.08, 19:00 Uhr, Wien, Bruno-Kreisky-Forum http://www.kreisky.org/kreiskyforum/web_deutsch/veranstaltungen_aktuell.php

04.06.08, 19:00 Uhr, München, Bayerisch-Amerikanisches Zentrum im Amerikahaus

http://www.amerikahaus.de/programm.html

01.07.08, 20:00 Uhr, Hamburg, Kultwerk West im Forum Altona

http://www.kultwerkwest.de

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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