Kultur

„Wann wird es endlich wieder Sommer?“

Aus ein paar Ständchen für Geflüchtete erwächst ein multikulturelles Orchester: Der Dokumentarfilm „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ erzählt von einem Dresden jenseits der Schlagzeilen über rechte Hetzer.
von ohne Autor · 16. Februar 2018
Wieder Sommer
Wieder Sommer

Dresden, die Metropole von Wissenschaft und Kunst: Dieses Image ist ziemlich lädiert. Dresden, die Stadt des fremdenfeindlichen Mobs: Das klingt für viele schon plausibler. Eine überforderte oder unfähige Stadtverwaltung hat es in den vergangenen Jahren möglich gemacht, dass Neonazi-Demos am Gedenktag für die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg und Kundgebungen des rassistischen Pegida-Bündnisses dafür sorgten, dass Dresdens Gesicht zunehmend hässlich geworden ist. Dass das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Fremdenhass in der sächsischen Landeshauptstadt mittlerweile im Aufwind ist, spielt in der medialen Betrachtung eine untergeordnete Rolle.

Buntes Elbflorenz

Das einstige Elbflorenz ist sehr wohl auch bunt, und nicht nur braun. Eben das hervorzukehren, treibt die Dresdner Filmemacherin Barbara Lubich um. Bereits in ihrer Dokumentation „Come together. Dresden und der 13. Februar“ zeigte sie, wie verschiedene Gruppierungen dafür kämpfen, die Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit, aber auch deren Deutung, nicht den braunen Hetzern zu überlassen. Auch mit ihrem neuen Film porträtiert sie, wenn man so will, das andere Dresden. „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ erzählt von Menschen, die sich irgendwann entschlossen haben, nicht immer nur gegen etwas, nämlich Pegida, zu demonstrieren, sondern etwas für andere, genauer gesagt: Geflüchtete, zu tun. Und auch davon, wie die Refugees irgendwann Teil dieser Gruppe wurden.

Entstehen der „Banda Internationale“

Es geht um die Entstehungsgeschichte der „Banda Internationale“, einer musikalischen Formation aus Geflüchteten und engagierten Dresdnern. Mit einem Crossover aus verschiedenen geistigen und musikalischen Welten tingelt die Gruppe durch Deutschland und wirbt für Vielfalt. Dafür wurde die „Banda“ von der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), ausgezeichnet. Angefangen hat alles im Jahr 2015, der Hochphase von Pegida und dessen Hetze gegen Flüchtlingsheime. Eben vor diesen Einrichtungen spielte ein kleines Grüppchen Musiker, um den Bewohnern Mut zu machen. Geboren war die „Banda Communale“. Irgendwann wollten die Geflüchteten mitmischen.

Von der spontanen Idee zum überregionalen Projekt

Zunächst chronologisch und später nach Themenschwerpunkten gegliedert, erzählt der Film, wie aus einer spontanen Idee ein überregional bedeutendes Projekt geworden ist. Lubich entwirft allerdings kein Idyll der Toleranz. Sie zeigt auch, wo es zwischen den Mitgliedern der rein männlichen Formation knirscht. Viele der Musiker, ob nun professioneller oder hobbymäßiger Stoßrichtung, kommen aus dem Nahen und Mittleren Osten, darunter Syrien, Iran und Afghanistan, aber auch aus Afrika. Toleranz ist auch hier keine Selbstverständlichkeit. Die Frage, ob jemand religiös ist, sorgt durchaus für Spannungen. Oder etwa, ob ein Lied auf Kurdisch oder Arabisch gesungen werden soll. Auf der Bühne entladen sich die Reibereien, in purer Energie. Egal, ob arabische Liebeslieder, klezmerähnliche Tanzrhythmen oder Metal-Improvisationen erklingen, ob in Dresdner Kneipen, bei den Passionsspielen in Oberammergau oder in der Europäischen Kulturhauptstadt Breslau: Die euphorischen Reaktionen des Publikums legen nahe, dass die „Banda“ einen Nerv trifft. Nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit pointierten politischen Aussagen. Wie der leicht abgewandelte Filmtitel zeigt, schrecken die Musiker auch vor deutschem Schlager nicht zurück. Anders als im Originallied von Rudi Carrell, steht der Sommer hier für ein Ende der, nicht zuletzt von Pegida, beförderten menschlichen Kälte gegenüber Zuwanderern.

Schlaglicht auf einzelne Biografien

Zu spüren sind auch die Dynamiken innerhalb der Gruppe, was wiederum auch davon Zeugnis ablegt, wie diese Menschen mit ihren individuellen Erfahrungen von Diktatur, Krieg und Flucht umgehen. Manch einer flüchtet sich in einen düsteren Sarkasmus, andere fiebern einem neuen Leben entgegen. Einzelne Biografien werden schlaglichtartig beleuchtet. Besonders berührend ist die Geschichte von Hamid: Live lässt der Gitarrist seiner Lust auf Heavy Metal freien Lauf. In seinem Geburtsland Iran landete er eben dafür im Knast. Eine von vielen Episoden, in denen neben traumatischen Erfahrungen und der befreienden Freude an der Musik auch die Frage gestellt wird: Was soll aus diesen, mehrheitlich gut ausgebildeten, jungen Männern eigentlich werden? Auch in dieser Hinsicht bemüht sich Barbara Lubichs Film um einen optimistischen Blick.

 „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ (Deutschland 2017), ein Film von Barbara Lubich, 96 Minuten

 

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