Friedrich Schiller, Wilhelm von Humboldt und Alexander von Humboldt prägten jeder auf seine Weise das neue Sehen und Denken um 1800. Sie repräsentierten das kosmopolitische Weltbürgertum und entwickelten die Idee einer globalen Wissenschaft. Interdisziplinäres und interkulturelles Wissenschaftsverständnis predigten sie nicht nur sondern setzten es höchst selbst um.
Poesie, Philosophie, Naturforschung
Mit "souveräner Verachtung des Zeitgeistes" wagte der Dichter und Dramatiker Friedrich Schiller den "großen Entwurf eines ästhetischen Bildungsweges", heißt es im Vorwort zum Sammelband des internationalen Symposiums "Die Realität der Idealisten". Er stand dabei in lebhaftem, intellektuell nicht ganz spannungsfreien Austausch mit dem Staats-, Sprach- und Bildungsphilosophen Wilhelm von Humboldt. Der setzte Schillers Ideale in seiner Bildungsreform um. Letztlich haben beide "den hohen Stellenwert der ästhetischen Erziehung im Prozess der Selbstwerdung des Individuums propagiert". Ihre "humanistisch-bildungsphilosophische Programmatik" beeinflusste Staatstheorie, Politik und Pädagogik weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Erinnert sei an die "Einheit von Forschung und Lehre", ein Vermächtnis Wilhelm von Humboldts. Seine Weltoffenheit verdankt der Idealismus dem Naturforscher Alexander von Humboldt. Angeregt von Schiller und auf diesen einwirkend habe er in "lebendigen Beschreibungen und farbenprächtigen Illustrationen ein ästhetisch überwältigendes Bild fremder Welten vermittelt". Es ist das Nebeneinander von Ästhetik, Politik und Naturwissenschaft, das "die Strahlkraft" des Idealismus um 1800 erklärt, jenen "Zauber, der allem Anfang innewohnt". Drei Fragestellungen Die drei Kapitel des Sammelbandes sind drei Fragestellungen gewidmet.
Im ersten Teil geht es um die Realitätsprüfung. Es steht außer Zweifel, dass die Idealisten, ihre Konzepte nicht nur in der Diskussion weiterentwickelten, sondern zugleich "an der Realität erhärteten". Um die Beziehung zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt ranken sich die Beiträge des Zweiten Teils. Ihre Briefe "lassen noch einmal eine Diskussionskultur aufleuchten, wie es sie danach wohl nicht mehr geben konnte".
Die im dritten Teil versammelten Aufsätze "nehmen die deutsche Misere in den Blick, die dem Pathos des Idealismus immer wieder den Weg verstellte". Da gab es Enttäuschung und Resignation. Und doch konnte das Projekt der Moderne aus der "provinziellen Enge philosophischer Studierstuben herausgeführt und um ein weltoffenes, transdisziplinäres und interkulturelles Wissenschaftsverständnis erweitert" werden.
"Mit der Perspektivierung von Schillers Werk auf das der beiden ihm nahe stehenden 'preußischen Dioskuren' wurde das Profil einer intellektuellen Trias um 1800 rekonstruiert, die bislang hinter der Erforschung anderer wirkungsmächtiger Beziehungen und Zusammenhänge das Nachsehen hatte", schreiben die Herausgeber in ihrem Vorwort. In der Tat. Und deshalb ist das Buch ein Muss für alle Idealisten!
Hans Feger, Hans Richard Brittnacher (Hg.): Die Realität der Idealisten. Friedrich Schiller - Wilhelm von Humboldt - Alexander von Humboldt, Böhlau Verlag, Köln 2008, 284 Seiten, 59,90 Euro, ISBN 978-3-412-20248-7