Von linken Denkern und einer politischen Optimistin
Michael Gottschalk / photothek.net
Der Mann war klein, ging gebeugt, meistens krank und depressiv. Antonio Gramsci muss ein recht trauriger Anblick gewesen sein. Charisma Fehlanzeige. Und doch wirkt der italienische Philosoph und Politiker bis heute nach – obwohl er lange Zeit in Vergessenheit geraten war. „Gramsci war verschüttet bis Ende der 70er Jahre“, erzählt Robert Misik am Donnerstag am Stand des „vorwärts“ auf der Frankfurter Buchmesse. „Von linken Sozialdemokraten wurde er wieder ausgegraben – allerdings etwas weichgespült.“
In Misiks Buch „Was Linke denken. Ideen von Marx über Gramsci zu Adorno, Habermas, Foucault & Co“ nimmt Gramsci eine wichtige Rolle ein. „Mein Buch ist auch das Ergebnis von 35 Jahren Gramsci-Lektüre.“ Besonders angetan haben es dem Journalisten Gramscis „Gefängnisbriefe“. Misik bezeichnet sie als „eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts“. Gramsci habe sie mit einem Bleistift in Schulhefte geschrieben.
Auch dass Gramsci bis heute Wirkung entfaltet, beschreibt Robert Misik am vorwärts-Stand. Der griechischen Partei Syriza bescheinigt er einen „instinktiven Gramscianismus“, der österreichischen SPÖ im jüngsten Wiener Wahlkampf eine „in gewissem Sinn gramscianische Strategie“, indem sie klare Kante gegen die Rechtspopulisten der FPÖ gezeigt habe. Und doch, so bedauert Misik: „Die Sozialisten der 30er und 40er Jahre konntest Du nachts wecken und sie hatten ihre Theoretiker parat. Heute fällt das vielen schon im Wachzustand schwer.“
Malu Dreyer: den eigenen Optimismus weitergeben
Wäre es nach ihrem Vater gegangen, wäre Malu Dreyer nie Politikerin geworden. „Mein Vater und mein damaliger Chef haben mir damals abgeraten, in die Politik zu gehen“, erzählt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin am Donnerstag Nachmittag am vorwärts-Stand. Damals, das war 1995. Dreyer sollte Bürgermeisterin von Bad Kreuznach werden. Sie hörte weder auf ihren Vater noch auf ihren Chef und übernahm Verantwortung. „Ich habe mir immer eine Aufgabe gewünscht, in der ich gestalten kann“, sagt Dreyer.
Die hat sie in verschiedenen politischen Funktionen gefunden – und sich auch nicht von ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung abhalten lassen. „Dass ich plötzlich in meiner Bewegung eingeschränkt war, war richtig blöd“, erinnert sich Malu Dreyer. Allerdings habe sie dadurch auch Neues entdeckt, „Achtsamkeit zum Beispiel“. Als sie irgendwann nicht mehr Fahrrad fahren konnte, stiegen sie und ihr Mann aufs Fahrrad um. Dreyers Fazit: „Die Dinge sind auch so schön – anders schön.“
Ihren Optimismus hat Malu Dreyer nie verloren. Mit ihrem Buch „Die Zukunft ist meine Freundin“, möchte sie diesen auch an andere weitergeben. Dass es ein Wahlkampfbuch sei, das sie nur mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden März geschrieben habe, weist Malu Dreyer von sich. „Ich habe das Buch geschrieben, obwohl im kommenden Jahr Wahl ist“, betont sie.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.