Seit ihrem Ableben ist die DDR so oft in Sekundär- und Aktenliteratur präsent
gewesen, dass es gut tut, einmal wieder O-Ton aus berufenem Munde zu hören
- besonders, wenn Lesende die Stimme dazu noch im Ohr haben. O. F.
Weidling gehörte zu den wenigen großen Moderatoren der heiteren Muse der
DDR, die auch eine ganze Reihe von Jahren ihre Begabung auf großer Bühne
präsentieren konnten.
Es ist dem Conferencier Carsten Weidling, Sohn des Conferenciers O. F.
Weidling zu danken, dass er die von seinem Vater schon im Alter von 43 Jahren
geschriebenen, aber nie veröffentlichten Memoiren dem Koffer im
Kellerverschlag entnahm, las, selbst Erinnertes und Erlebtes einleitend
hinzufügte und das Ganze dann endlich - Jahrzehnte nach Entstehen der
väterlichen Notizen - veröffentlichte.
Weidling senior lag nach einem Unfall im Krankenhaus. Der Unfall hatte ihn
zeitweise in Todesangst versetzt. So schrieb er zunächst sein Testament, in
dem er seine Frau beauftragte, den noch im Babyalter befindlichen Sohn
Carsten J. W. zu einem Menschen heranzuziehen. Dann ging er dem
monotonen klinischen Alltag trotzend an sein Schreibwerk. Die eigene Malaise
bespöttelnd berichtete er über bisher Erlebtes von der Nazi-Zeit bis zu seiner
Gegenwart im Sozialismus.
Man muss sich die Weidlingsche Stimme und die damalige Zeit dazudenken,
um den Witz des Geschriebenen zu verstehen. Wessen Handwerk es war, das
Kritische in heiterem Gewand auf die Bühne zu bringen, der brauchte einiges an
Nuancen und zwischen den Zeilen zu Lesendem. Das prägte nicht nur die
gesprochenen Sätze, sondern bei O.F. Weidling auch das schriftlich
Niedergelegte. Freilich war das zu Hörende kurzweiliger, weil eben kürzer. Dafür
hat der geschriebene Text den Vorzug deutlich werden zu lassen, wie es um
das Heitere und dessen Innenleben in der DDR bestellt war.
Das komische Talent hatte seine Mühe sich durchzusetzen. Und das war noch
nach Erhalt des Nationalpreises nicht anders. Weidling senior glaubte an die
DDR. Er hatte in ihr seine couragiert eroberte Chance und bereicherte sie mit
seinem Humor. Am Ende quälte ihn das, worum er sich doch verdient gemacht
hatte. Er bekam Auftrittsverbot im Friedrichstadt-Palast.
Dass seine ganze Familie mit Frau und zwei Söhnen zum Schluss zu Wort
kommt, macht Sinn, denn mit dem neunten Gebot der sozialistischen Moral "Du
sollst sauber und anständig leben und deine Familie achten!" hatte es der
Meister des Humors sehr ernst genommen. Das war zweifellos für ihn überaus
wichtiger Halt in den keineswegs immer heiteren Zeiten des Heiteren.
Dorle Gelbhaar
Carsten J./ W. Weidling O. F: Weidling "Im Namen des Vaters und des Sohnes
(… und der Heiteren Muse)", Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale), 2006, 240
Seiten, 19 Euro, ISBN 3-89812-392-8/978-3-89812-392-1
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