Kultur

Von innen gesehen - Heiter und traurig

von Die Redaktion · 3. November 2006

Seit ihrem Ableben ist die DDR so oft in Sekundär- und Aktenliteratur präsent

gewesen, dass es gut tut, einmal wieder O-Ton aus berufenem Munde zu hören

- besonders, wenn Lesende die Stimme dazu noch im Ohr haben. O. F.

Weidling gehörte zu den wenigen großen Moderatoren der heiteren Muse der

DDR, die auch eine ganze Reihe von Jahren ihre Begabung auf großer Bühne

präsentieren konnten.

Es ist dem Conferencier Carsten Weidling, Sohn des Conferenciers O. F.

Weidling zu danken, dass er die von seinem Vater schon im Alter von 43 Jahren

geschriebenen, aber nie veröffentlichten Memoiren dem Koffer im

Kellerverschlag entnahm, las, selbst Erinnertes und Erlebtes einleitend

hinzufügte und das Ganze dann endlich - Jahrzehnte nach Entstehen der

väterlichen Notizen - veröffentlichte.

Weidling senior lag nach einem Unfall im Krankenhaus. Der Unfall hatte ihn

zeitweise in Todesangst versetzt. So schrieb er zunächst sein Testament, in

dem er seine Frau beauftragte, den noch im Babyalter befindlichen Sohn

Carsten J. W. zu einem Menschen heranzuziehen. Dann ging er dem

monotonen klinischen Alltag trotzend an sein Schreibwerk. Die eigene Malaise

bespöttelnd berichtete er über bisher Erlebtes von der Nazi-Zeit bis zu seiner

Gegenwart im Sozialismus.

Man muss sich die Weidlingsche Stimme und die damalige Zeit dazudenken,

um den Witz des Geschriebenen zu verstehen. Wessen Handwerk es war, das

Kritische in heiterem Gewand auf die Bühne zu bringen, der brauchte einiges an

Nuancen und zwischen den Zeilen zu Lesendem. Das prägte nicht nur die

gesprochenen Sätze, sondern bei O.F. Weidling auch das schriftlich

Niedergelegte. Freilich war das zu Hörende kurzweiliger, weil eben kürzer. Dafür

hat der geschriebene Text den Vorzug deutlich werden zu lassen, wie es um

das Heitere und dessen Innenleben in der DDR bestellt war.

Das komische Talent hatte seine Mühe sich durchzusetzen. Und das war noch

nach Erhalt des Nationalpreises nicht anders. Weidling senior glaubte an die

DDR. Er hatte in ihr seine couragiert eroberte Chance und bereicherte sie mit

seinem Humor. Am Ende quälte ihn das, worum er sich doch verdient gemacht

hatte. Er bekam Auftrittsverbot im Friedrichstadt-Palast.

Dass seine ganze Familie mit Frau und zwei Söhnen zum Schluss zu Wort

kommt, macht Sinn, denn mit dem neunten Gebot der sozialistischen Moral "Du

sollst sauber und anständig leben und deine Familie achten!" hatte es der

Meister des Humors sehr ernst genommen. Das war zweifellos für ihn überaus

wichtiger Halt in den keineswegs immer heiteren Zeiten des Heiteren.

Dorle Gelbhaar

Carsten J./ W. Weidling O. F: Weidling "Im Namen des Vaters und des Sohnes

(… und der Heiteren Muse)", Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale), 2006, 240

Seiten, 19 Euro, ISBN 3-89812-392-8/978-3-89812-392-1

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