Mit Anfang 20, als sie ihren ersten Roman veröffentlichte, war sie bekannt, mit 30 berühmt, mit 35 fast vergessen. Brigitte Reimann wäre am 21. Juli 2008 75 Jahre alt geworden. Doch sie wurde gerade mal 39, starb 1973 an Krebs. Nach ihrem Tod begeisterte vor allem ihr Roman "Franziska Linkerhand". Nicht weniger taten dies aber auch ihre Tagebücher und Korrespondenzen. "Liebe Mu, lieber Vati..." Die Briefe an die Eltern stellen einen ganz besonderen Schatz dar, waren doch die Besessenheit vom Schreiben und die Liebe zur Familie die einzigen Konstanten in Brigitte Reimanns kurzem Leben. So führt ihre Korrespondenz noch einmal ganz persönlich durch ihre wechselvollen Geschichte, spiegelt jede Sorte von Glück und Unglück. Von A wie Auto bis Z wie Zahnschmerzen reicht die Palette. Doch nicht nur Freud und Leid im Alltag tauscht Brigitte Reimann mit den Eltern aus. Sie berichtet auch von ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, dem literarischen Leben in der DDR, dem Fortgang ihres Romans "Franziska Linkerhand", den Auseinandersetzungen mit Verlagen, dem Rundfunk und der DEFA, dem ständigen Ringen um die Honorare. Und an ihrem Seelenleben lässt sie Mutter und Vater teilhaben, dem Auf und Ab der Gefühle, den kleinen und großen Verliebtheiten sowie Partnerkonflikten, und schließlich ihrem härtesten Kampf, dem um ihr Leben. Ihre Briefe sind witzig und voller Wärme, mitunter zerknirscht, jedoch stets optimistisch auch in schlechten Tagen. So schreibt eine an die, denen sie blind vertraut, die tolerant sind und verständnisvoll. Brigitte Reimann wurde 1933 in Burg bei Magdeburg geboren. Sie war Lehrerin, arbeitete seit ihrer ersten Veröffentlichung im Jahr1955 jedoch als freie Autorin. 1960 zog sie nach Hoyerswerda, 1968 nach Neubrandenburg. Nach langer Krankheit starb sie 1973 in Berlin. Die Briefe an die Eltern stammen aus den Jahren 1960, als sie das Elternhaus verließ, bis zu ihrem Tod 1973. Den Herausgeberinnen ist für eine mühevolle, akribische Arbeit zu danken. Aus 426 Briefen, Telegrammen und Karten, die Brigitte Reimanns Eltern dem Brigitte-Reimann-Archiv zur Verfügung stellten, trafen sie eine gelungene, sehr beindruckende Auswahl. Da Brigitte Reimann regelmäßig nach Hause schrieb, erfährt der Leser vieles mehr, als in ihren Tagebüchern festgehalten ist. Brigitte Reimann: Jede Sorte von Glück. Briefe an die Eltern, Heide Hampel, Angela Drescher (Hg.), Aufbau-Verlag, Berlin 2008, 459 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-351-03247-0 Brigitte Reimanns wichtigste Veröffentlichungen: Die Frau am Pranger (Erzählung, 1956), Ankunft im Alltag (Erzählung, 1961), Die Geschwister (Erzählung, 1963), Das grüne Licht der Steppen. Tagebuch einer Sibirienreise (1965), Franziska Linkerhand (Roman, 1974, vollständige Neuausgabe 1998), Ich bedaure nichts. Tagebücher 1955-1963 (1997, als Lesung mit Jutta Hoffmann DAV 066-5), Alles schmeckt nach Abschied. Tagebücher 1964-1970 (1998, als Lesung mit Jutta Hoffmann DAV 110-6). Außerdem erschienen die Briefwechsel mit Christa Wolf, Sei gegrüßt und lebe. Eine Freundschaft in Briefen 1964-1973 (1993), mit Hermann Henselmann, Mit Respekt und Vergnügen (1994); Aber wir schaffen es, verlaß Dich drauf. Briefe an eine Freundin im Westen (1995), und mit Irmgard Weinhofen, Grüß Amsterdam. Briefwechsel 1956-1973
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