Kultur

Von den Zinsen leben

von Die Redaktion · 13. Mai 2008

Weil Monsieur Potier nicht an seiner tödlichen Krankheit "verrotten" will, erhängt er sich an einem Baum. Bevor er seinem Leben ein Ende setzt, bereitet er für seine geliebte Frau Madame Verona allerdings noch so viel Feuerholz wie möglich. Jahrzehntelang wird sie sich daran wärmen.



Von Schweinen und Menschen


Als sie im Alter von 82 Jahren das letzte Scheit Holz im Ofen verbrennt, findet Madame Verona, dass es Zeit sei zu sterben. Und so steigt sie den Hügel, auf dem ihr Haus steht, hinunter. Währenddessen blickt der Autor zurück auf das Leben dieser ungewöhnlichen Frau. Dabei erzählt er - scheinbar nebenbei und doch intensiv berührend - von einer großen Liebe.

Und er beschreibt das kleine Dorf Oucwègne. Da gibt es akuten Frauenmangel; eine Kuh als Bürgermeisterin und eine Tierärztin für alle ("große Unterschiede konnte es zwischen Schwein und Mensch ja nicht geben"). Liebevoll entwirft der belgische Schriftsteller die schrulligen Bewohner des aussterbenden Dorfes.

Leuchtende Augen

In erster Linie sei das Buch eine Liebesgeschichte, erklärte Dimitri Verhulst bei einem Berlinbesuch im Europäischen Haus. Und es sei eine Herausforderung, über eine neue, schöne Liebe zu schreiben. Allerdings meistert er diese spielerisch - obwohl einer der Liebenden tot ist. "Sie war allein und wollte es bleiben. Denn nur allein erinnert der Mensch sich richtig an zwei", heißt es in dem Buch.

Die zahlreichen Junggesellen des Dorfes Oucwègne hatten zwar ein Auge auf die junge Witwe, doch "auch wenn sie von der Liebe wenig verstanden, so doch genug, um zu sehen, dass Madame Verona noch von den Zinsen lebte". Hinter dem Schreibtisch habe er sich amüsieren wollen, erklärte der flämische Autor. Entsprechend beschwingt ist seine Erzählweise. Und mit seiner wunderbar präzisen Sprache erzeugt er - scheinbar ganz leichtfüßig - so viel Tiefe.

"Wenn man etwas von ganzem Herzen tut, und das auch rüber bringt, leuchten die Augen der Menschen automatisch", sagt Verhulst. - Und bei "Madame Verona steigt den Hügel hinab" kommt unsagbar viel herüber. Verhulst schafft es auf knapp 100 Seiten ein ganzes Spektrum an Gefühlen hervorzurufen. Schmunzeln und Rührung liegen dicht beisammen. Der Leser wird hineingezogen in die Geschichte. Und am Ende ist er dem Autor dankbar für dieses Buch.



Birgit Güll


Dimitri Verhulst: "Madame Verona steigt den Hügel hinab". Aus dem Niederländischen von Rainer Kersten. Sammlung Luchterhand, 2008, 109 Seiten, 7 Euro, ISBN 978-3-630-62129-6

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