Im Mittelpunkt des Geschehens stehen zwei palästinensische Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ahmed ist in sich gekehrt und hat einen Sprachfehler. In den Augen seines Vaters
ist er ein Weichling, weil er von seiner Mutter nach Strich und Faden verhätschelt wird. Dabei fühlt Ahmed sich am wohlsten, wenn er ganz mit sich allein sein kann. Mit der Kamera im Anschlag ist
er unterwegs, um Fotos zu machen. Während dieser Touren lernt er ein Mädchen aus der benachbarten jüdischen Siedlung kennen und verliebt sich auf naiv-kindliche Weise in sie.
Der Ältere, Madjid, steht gern im Rampenlicht. Er möchte auf einer Bühne vor einem großen Publikum auftreten. Sein Traum ist es, als Sänger und Tänzer in Europa groß herauszukommen.
Die Brüder leben zusammen mit ihren Eltern in einem Lager im Westjordanland. Zum Leidwesen ihres Vaters besitzen beide eine ausgeprägte künstlerische Ader. Dem Vater, einem
Gelegenheitsjournalisten und Inhaber eines kleinen Buchladens, wären zwei mutige und kampfeswillige Söhne lieber. Doch entgegen den traditionellen Vorstellungen des Vaters kümmern sie sich wenig
um politische Belange und trachten nach westlichen Werten.
Von Terroristen und Revolutionären
Die politische Lage lässt es allerdings nicht zu, dass Ahmed und Madjid ihre Träume und Wünsche verwirklichen. Viel schneller als gedacht, bricht alles auseinander. Als Ahmed
verbotenerweise in der benachbarten jüdischen Siedlung nach seiner verschwundenen Katze sucht, wird er wegen Verdacht auf Spionage verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Monate später kehrt er
nach Hause zurück und ist nicht mehr er selbst.
Madjid gerät ebenfalls durch unglückliche Umstände in den bewaffneten Untergrund und schließt sich der Fatah an. Als im Ramallah Frühjahr 2002 von den Israelis eingenommen wird, kämpft er
bis zur letzten Minute. Anders als sein Bruder gerät Madjid jedoch nicht in den Sog der Islamisten, sondern steigt als neugebackener Politiker in der PLO auf.
Von Familie und Politik
"Heißer Frühling" startet mit einer detaillierten Familiengeschichte. Der andauernde Konflikt zwischen Vater und Söhnen wird beleuchtet. Ihre Ansichten stehen sich eingangs unvereinbar
gegenüber. Das traditionellen Denken des Alten kollidiert mit dem Wunsch der Jungen nach westlichem Lifestyle
Doch Sahar Khalifa beendet ihren Roman nicht einfach als Familiensaga. Abrupt und fast wie ein Bruch wirkt der Übergang vom Familiären zum Politischen inmitten des Buches. Die Autorin will
wohl zeigen, wie äußere Umstände und auch persönliche Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit das Leben von jungen Menschen verändern können. Am Beispiel der beiden Brüder demonstriert Sahar Khalifa
so die verfahrene und undurchsichtige Situation in Palästina.
Der Roman verfolgt vielversprechende Ansätze, die jedoch nicht konsequent fortgesetzt werden. Die Suche nach Erklärungen verliert sich in Details. Eine wesentliche Leistung des Romans ist
es dennoch, dem Leser ein eindrucksvolles Bild vom Alltag und von der Not der Palästinenser unter israelischem Beschuss zu liefern. Nicht minder interessant ist es darüber hinaus, die Sachlage im
Nahen Osten einmal aus palästinensischer Sicht nachzulesen.
Edda Neumann
Sahar Khalifa: Heißer Frühling, 2008, Unionsverlag, 284 Seiten, 19,90 Euro, ISBN-13: 978-3293003811
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