Kultur

Vom schönen Schein

von ohne Autor · 18. Oktober 2007

Der schöne Schein trügt von Anbeginn: Lisa Bender täuscht eine Schwangerschaft vor, damit Ludo Bagman sie heiratet und sie ihrem Elternhaus entkommt. Der Bräutigam, der sich gerade bei einer seiner zahlreichen Affären mit Syphilis angesteckt hat, ist froh an das Geld der reichen Wurstfabrikantenfamilie Bender zu kommen.

Getrübte Vorfreude

Lisas Mutter, Kati Bender, ist zerfressen von ihrem Hass auf die Welt. Sie neidet ihrer Tochter die Jugend und das Glück. Trost findet die Wurstfabrikantengattin im Alkohol, und in den vermeintlichen Blicken, die ihr junge Männer zuwerfen - sie besitzt halt eine rege Fantasie. Ihr Ehemann, den sie impotent wähnt, hat seit Jahren eine - käufliche - Geliebte in Hamburg.

Die einzigen die sich tatsächlich auf die Hochzeit freuen, sind das Hotelierehepaar Maria und Jacob Bagman und der Stiefvater der Braut, Hans Matti Bender. Ihre Stimmung wird allerdings getrübt, als das lokale Klatschblatt meint, dunkle Kapitel in der Vergangenheit der beiden Männer entdeckt zu haben.

Dunkle Vergangenheit

Jacob Bagman soll einem jüdischen Antiquitätenhändler sein Vermögen abgepresst haben. Dass dieser tatsächlich sein väterlicher Freund und Lehrer war, dem er die Flucht vor den Nazis ermöglichte, interessiert niemanden. Hans Matti Bender, der nie am Krieg teilgenommen hatte, wird mit seinem verschollenen Zwillingsbruder verwechselt. Dieser war als Wehrmachtoffizier ausgerechnet in dem niederländischen Badeort stationiert, wo nun Hochzeit gehalten werden soll.

Das Dorf ist gespalten. Die ohnehin angespannten deutsch-niederländischen Beziehungen der Wirtschafswunderjahre verschlechtern sich. Verzweifelt bemüht sich Jacob Bagman, trotz aller Widrigkeiten, die sorgfältig geplante Traumhochzeit zu retten. Doch als sich die Wogen zu glätten scheinen, und das Brautpaar strahlend vor den Standesbeamten tritt, kommt es zur Katastrophe.

Bunter Reigen

Eindrucksvoll entwirft Pieter Waterdrinker seine Hauptcharaktere und ihr Umfeld. Er rollt die Vergangenheit der Familienmitglieder auf, und zeichnet ganz nebenbei ein Bild der deutsch-niederländischen Beziehung zur Zeit der Wirtschafswunderjahre.

Ein bunter Reigen von Figuren tritt auf. Da ist etwa Ludos Freund Edo Novak, ein Kommunist, der wohlhabenden jungen Männern wie Ludo eine abenteuerliche Zukunft in Südamerika verspricht. Dafür geben sie ihm regelmäßig Geld. Damit unterstützt er allerdings nicht die Genossen in Südamerika, sondern finanziert seine Kokainsucht. Oder Meener Zwaan, der treue Hotelangestellte: während des Krieges ein engagierter Widerstandskämpfer, kümmert er sich nun um seine kranke Frau und seine gelähmte Tochter.

"Die Hochzeit von Zandvoort" ist das erste Buch des niederländischen Schriftstellers, das ins Deutsche übersetzt wurde. Ein amüsanter, fesselnder Roman - ein großes Lesevergnügen.

Birgit Güll

Pieter Waterdrinker: "Die Hochzeit von Zandvoort", aus dem Niederländischen von Rainer Kersten, Aufbau-Verlag 2007, 437 Seiten, 22,95 Euro, ISBN 978-3-351-03221-0

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