Kultur

Vom „Glühwürmchen – Vergleich“ zum Preußischen Staatsrat

von Die Redaktion · 18. Mai 2007

In knapp zwei Stunden erlebt der Hörer die moralisch anzweifelbare Karriere des Hendrik Höfgen. Wie dieser sich zum Liebling der Mächtigen entwickelt. Wie er sich mit den Zirkeln der Macht verbündet und sich einbildet, dennoch der nur für die Kunst Lebende zu sein.

Hin und wieder blitzt bei ihm eine Art Gewissen auf, ein stilles In-sich-gehen, ob es vertretbar sei, sich mit den mächtigen Verbrechern einzulassen. Doch schnell wird klar, dass es sich bei diesen Fragen eher um ein Kokettieren mit der vermeintlich heroischen Position des Widerstandskämpfers handelt.

Exil oder doch lieber gefeierter Star?

Das unsichere Leben im Exil ohne Geld, ohne Publikum und ohne Anerkennung erscheint dann doch nicht so verführerisch oder sollte man sagen, so einfach wie das Leben unter der Ägide des "Dicken".

Klaus Mann hat bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1949 abgestritten, dass es sich bei diesem Buch um eine Abrechnung mit dem Ex-Mann seiner geliebten Schwester Erika, dem Schauspieler Gustav Gründgens handele, dessen Leben Thomas Mann einst so charmant mit einem Glühwürmchen verglichen hatte. Vielmehr sei es ihm um die Darstellung eines Typs gegangen, wie er sich so zahlreich im Dritten Reich zeigte. En masse hieß es nach dem Krieg: "Ja, was hätten wir denn tun können?"

Ja, was hätten sie schon tun können…wie bitter muss es für Klaus Mann gewesen sein, aus dem ungewissem Exil der USA die steile Karriere des ehemaligen Schwagers zu beobachten. Dieser mauserte sich zum Liebling Hermann Görings, der das Preußische Staatstheater der Kontrolle Goebbels zu entreißen verstand.

Göring ernannte Gründgens erst zum "Preußischen Staatsrat" und machte ihn schließlich von 1937 bis 1945 zum Leiter des Preußischen Staatstheaters. Er holte ihn sogar von der Front zurück, als sich Grüngens freiwillig dorthin meldete. Dieser galt auch nach dem Krieg schnell wieder als einer der "Großen". Er entwarf die so berühmte Mephisto-Maske, die Klaus Maria Brandauer in der Verfilmung so schaurig mit Leben zu füllen vermochte.

Zuerst verboten dann Bestseller

Als Gründgens 1963 überraschend starb, klagte sein Adoptivsohn im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen auf das Verbot der erneuten Veröffentlichung. Die Gerichte stimmten ihm zu, die geplante Neuauflage wurde untersagt und andere Verlage, für die das Verbot nicht galt, trauten sich offensichtlich nicht, das Buch in ihr Programm aufzunehmen.

Erst 1981 kam es zu einer gefeierten Neuauflage. Heute ist das Buch glücklicherweise in jeder beliebigen Buchhandlung erhältlich. Zu Recht gilt es als ein ganz besonderes. Unterstellen wir jetzt einmal, dass Klaus Mann nicht völlig unbeeinflusst vom Leben Gründgens' geblieben ist, so wäre es selbst im gegenteiligen Fall ebenso eindringlich und faszinierend zu lesen oder - wie hier - zu hören, wie sich ein purer Opportunist ohne Moral und mit eher lächerlich zu nennenden Skrupeln der Macht andient und ungeachtet gelegentlicher Hilfen für Verfolgte seine Karriere verfolgt.



Nicht nur auf 1933 bis 1945 beschränkbar….


Dieter Mann zuzuhören ist phantastisch. Zwischen den Texten sind ab und zu Lieder aus der Zeit von 1933 bis 1945 eingestreut, wie etwa der Gassenhauer "Ein Freund, ein guter Freund", gesungen von Theo Lingen oder Heinz Rühmann, über deren Karrieren in der NS-Zeit dann auch mal nachzudenken wäre.

Diese Lieder haben den Vorteil, die damalige Zeit herauf zu beschwören, aber vor allem eben den Nachteil, diesen Text in jene Zeit zu verbannen. Dabei sollte man sich wohl kaum noch naiv darauf verlassen, dass ein Typ wie Gründgens lediglich in dieser Zeit zu finden sei. Nein, ihn gibt und gab es in jeder Gesellschaft, in jeder Diktatur und auf jeden Fall auch in unserer Gegenwart.

Maxi Hönigschmid

Mephisto von Klaus Mann; Hörbuch gelesen von Dieter Mann; Eulenspiegel Verlag; 144 Minuten; 19,95 Euro; ISBN - 13: 978 - 3359010975

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