Kultur

Völkerversöhnung beim Totenbegräbnis

von Die Redaktion · 25. November 2005

"Jede Vertreibung ist Unrecht. Für jeden, der dadurch seine Heimat verloren hat, ist das ein schmerzhafter Vorgang." Dies sagt Günter Grass im Begleitbuch zum Film "Unkenrufe" Alle Hauptfiguren der Erzählung haben Krieg und Vertreibung erlebt, wie Grass selbst.

Alexander Reschke, ein Deutscher Professor und gebürtiger Danziger, kommt 1989 nach Gdansk zurück auf der Suche nach kunsthistorischen Monumenten. Die polnische Restaurateurin Aleksandra war 1945 aus ihrer litauischen Heimat nach Danzig vertrieben worden. Die beiden lernen sich kennen und lieben. Sie planen einen Friedhof in Gdansk und Wilna für tote Polen, Litauer und Deutsche zu errichten.



Die um die 90-jährige Deutsche Erna Brakup, die in Danzig geblieben war, bezeichnet sich selbst als "nech pollacksche, nech deitsche", sondern "Danzijerin" im Danziger Missingsch, ihrer besonderen Mundart. Sie kommentiert im Film - anstelle der Unke, nach dem Brechtschen Verfremdungseffekt - die Handlung. Erna Brakup bringt das Paar dazu, sich nach einem Streit wieder zu versöhnen und zu heiraten. Mit der Überzeugung: "Die besten Paare waren immer deitsche und pollacksche."

Als die Kommerzialisierung der Friedhofsidee fortschreitet, ziehen sich Alexander und Aleksandra von diesem Business zurück. Für sie hat die Versöhnung von Polen und Deutschen Priorität. Auf ihrer Hochzeitsreise in Italien kommen sie bei einem Autounfall ums Leben. Sie werden in fremder Erde bestattet.

Man erfährt in dem Buch, dass viele der Akteure in ihrem wirklichen Leben mit ähnlichen politischen und historischen Ereignissen konfrontiert waren. Matthias Habich, der Darsteller von Alexander, ist in Danzig geboren. "Im tiefsten Winter bei Eiseskälte" musste er im Alter von fünf Jahren mit seiner Mutter, seiner Oma und seinen beiden älteren Brüdern fliehen. Die Darstellerin der Erna Brakup, Dorothea Walda, wurde in Breslau geboren. Die Schauspielerin, die vor allem als Oma Vogt in der Lindenstraße bekannt geworden ist, arbeitet ehrenamtlich unter anderem in der Landsmannschaft Schlesien mit. "Obwohl wir immer in die Ecke der ewig Gestrigen gestellt werden," sagt sie, wüssten sie, dass sie nicht mehr zurück können und hätten sich damit abgefunden. "Aber deswegen brauchen wir nicht unsere Liebe zu dem Land, aus dem wir stammen, zu verlieren, vor allen Dingen nicht die Liebe zu den Menschen, die dort leben."

Vor allem Polen und Deutsche haben im organisatorischen, ökonomischen Bereich, beim Entwickeln und dem Schreiben des Drehbuchs eng zusammengearbeitet, wie man u.a. auch dem Abspann entnehmen kann. Drehbuchautor Klaus Richter erzählt, dass der polnische Regisseur Robert Glinski die besondere Darstellung der gegenseitigen Vorurteile von Deutschen Polen gegenüber und umgekehrt durch die beiden Protagonisten Alexander und Aleksandra im Drehbuch durchgesetzt habe. In dieser Form würden die Vorurteile nicht in der Erzählung von Günter Grass vorkommen. "Also die Deutschen: In Polen werden Autos geklaut. Und die Polen: In Deutschland ist alles so sauber, dass man dort sogar das Wasser wäscht," verdeutlicht Richter in seinem Interview.

Grass unterstützt diese Konzeption. "Der Film bewahrt das ironische Spiel mit den jeweiligen Klischeevorstellungen- wie ein Deutscher zu sein hat, wie ein Pole zu sein hat", kommentiert er. Ob und wenn ja, welche charakteristischen Merkmale der Personen Regisseur oder Drehbuchautor gegenüber der Vorlage, der Erzählung von Günter Grass, verändert haben, erfährt man aus diesem Begleitbuch leider nicht.

Krystyna Janda, die Darstellerin von Aleksandra, bezeichnet ihre Rolle als "im Grunde eine untypische Polin". Vielleicht ist sie mit zu vielen stereotypen Klischees ausgestattet? "Sie ist schlecht erzogen, sagt weder "Guten Tag" noch "Entschuldigung" noch "Auf Wiedersehen", raucht ihre Zigaretten in der Kirche und auf dem Friedhof und schert sich nicht um die Meinung anderer Leute. Ich kenne keine Frauen und schon gar keine polnischen Kunsthistorikerinnen, die so sind, die so wenig Sensibilität für andere Menschen haben," sagt Janda, die in einer Umfrage zur besten polnischen Schauspielerin des 20. Jahrhundert gewählt wurde, u.a. über ihre Rolle der Aleksandra.

Karin Müller

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