"Bewegend. Man erfährt Schicksale von Kindern, die durch Solidarität überlebt haben und Schicksale von Kindern, die durch Verrat nicht überlebten. Da weiß man, was Verbrechen und
Menschlichkeit ist, jenseits von Zahlen", kommentierte Wolfgang Thierse die Ausstellung beim ersten Rundgang.
Zvi Aviram gehört zu jenen Überlebenden. Als Heinz Abrahamson am 25. Januar 1928 in Berlin Prenzlauer Berg geboren, überstand er den Krieg im Untergrund. Als er 16 Jahre alt war, wurden seine
Eltern deportiert. Sie starben in Auschwitz. Zvi allein, ohne Geld und Lebensmittelkarten tauchte mit seinem Schulfreund Leopold (Poldi) Chones unter und wurde Mitglied in einer zionistischen
Jugend- und Widerstandsgruppe. Mit ihrer Hilfe und der Unterstützung mehrer mutiger Helfer überlebte er den Krieg. 1948 wanderte er nach Palästina aus.
Reha Sokolow aus New York hat auch überlebt. Ihre Mutter Ruth Abraham freute sich auf die Geburt der kleinen Reha. Mit ihr würden sie jüdisches Leben hinterlassen. Drei Tage nach der Geburt
der Tochter tauchte die Familie Abraham unter. Die Kreuzbergerin Maria Nickel half der Familie mit Lebensmitteln und stellte dem Vater von Reha den Führerschein ihres Mannes zur Verfügung. Maria
Nickel nahm Reha auf, wenn ihre Eltern ein neues Versteck suchten und auf Parkbänken schliefen. Als das Kind krank wurde, gab sie es als ihr eigenes aus und ließ es in der Charité behandeln. Die
Familie Abraham überstand den Krieg und emigrierte nach New York.
Die Schwestern Ruth und Gitti Süssmann gehören zu den verratenen Kindern. Ihre Mutter entschloss sich 1943 in letzter Minute mit ihren sechs und vier Jahre alten Töchtern unterzutauchen, als
sich ihr Mann bereits im Sammellager zur Deportation befand. Frau Süssmann überließ ihre Kinder einer vertrauenswürdig scheinenden Frau. 1944 wurden sie deportiert und starben in Auschwitz mit fünf
und sieben Jahren. Die kleine Ruth hatte ihre Puppe Lisa immer mit sich getragen. Nun steht die Porzellanpuppe in einem Glaskasten gleich am Eingang der Ausstellung. Die Halbschwester Eva Nickel
hat sie zur Verfügung gestellt.
"Mehr als eine Million Kinder in Europa wurden Opfer des von den Nationalsozialisten befohlenen Genozids, allein weil sie als jüdische Kinder geboren wurden," erklärte Beate Kosmala von der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand/Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin in der Eröffnungsrede. Die Entwicklung der Ausstellung entstand auf der Grundlage der Forschungsergebnisse des
Projektes "Rettung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland" am Zentrum für Antisemitismusforschung.
Bis zum 1. September 1939 hatten tausende Jungen und Mädchen ohne ihre Eltern durch die sog. Kindertransporte noch nach Großbritannien entkommen können. Ab Oktober 1941 war die Emigration für
Jüdinnen und Juden aus Deutschland nicht mehr möglich.
Nun tauchten viele von ihnen unter. Von 7000 Jüdinnen und Juden, die zwischen 1941 und 1945 versucht haben, in Berlin im Versteck zu überleben, haben es nur etwa 1500 Menschen geschafft. Die
meisten dank der mutigen Hilfe von Nicht-Juden.
Was es bedeutete keine offizielle Adresse mehr zu haben, Angst vor Entdeckung haben zu müssen und keine Lebensmittel beziehen zu können, stellt die Ausstellung am Schicksal von fünf Kindern
in Texten, Filmen und Bildern sehr anschaulich dar.
Zvi Aviram ist als einer der Zeitzeugen aus Tel Aviv nach Berlin gekommen. Sein Fazit: Eine gelungene Ausstellung !
Karin Müller
Die Ausstellung kann vom 25. Januar bis 30. April täglich von 10-18 Uhr außer Montags im Anne Frank Zentrum Rosenthaler Straße 39 besucht werden.
Im Rahmenprogramm der Ausstellung finden Zeitzeugengespräche statt und zwar am 26.01. um 19 Uhr, am 28.01 um 20Uhr und am 21.03 um 19Uhr.
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