Kultur

Verspäteter Ruhm und nachträgliche Rehabilitierung für Werner Bräunig?

von Die Redaktion · 23. April 2007

Der Anfang vom Ende

Werner Bräunig, 1934 in Chemnitz geboren, arbeitete nach einer Schlosserlehre in verschiedenen Berufen als Gelegenheitsarbeiter z.T. auch in Westdeutschland. Nach seiner Rückkehr in die DDR verschlug es ihn für kurze Zeit in das Uranbergbaugebiet der Wismut-AG.

Zu schreiben begann er Mitte der 50er Jahre, studierte am Literaturinstitut "Johannes R. Becher" in Leipzig und wurde Dozent dort. Er galt als aufgehender Stern der noch jungen DDR-Literatur und verfasste den berühmt gewordenen Slogan "Greif zur Feder, Kumpel" der ersten Bitterfelder Konferenz. Wenig später begann Bräunig mit seiner Arbeit zu seinem groß angelegten Roman.

Ein Vorabdruck des Textes führte jedoch auf dem 11. Plenum der SED 1965 zu heftiger Kritik: "ideologische Abweichung" und "Verunglimpfung" so lauteten die Vorwürfe, an denen Fürsprecher wie Christa Wolf und Anna Seghers nichts mehr ändern konnten. Die Folge war eine Kampagne gegen den Roman und dessen Veröffentlichung.

Wenn es nach Bräunig gegangen wäre, so hätte dem Roman noch ein zweiter Teil folgen sollen. Doch dazu kam es nicht mehr: Der Autor, politisch und künstlerisch in Ungnade gefallen, verfiel zunehmend dem Alkohol und starb 1976 an den Folgen seiner Sucht.

Ein Dissident, der doch keiner war?

Der aus drei Teilen bestehende Roman spielt in der Zeit von 1949 bis 1953, zum größten Teil auf dem Uranabbaugebiet der Wismut-AG im Erzgebirge - dem größten Reparationsunternehmen in der DDR. In diesem "Staat im Staate" trifft sich alles, was ansonsten kaum eine Perspektive hat und nun dem Aufbau entgegen arbeitet. Die ungeschönten Wirklichkeit des Arbeitsalltags und des Lebens rings um die "Wismut", der idealisierten Aufbauwillen und das sich indessen fehl entwickelnde System von Politik und Wirtschaft treffen hier zusammen. Das brachte Bräunig vor der Partei in Verruf.

Der Roman schließt mit dem 17. Juni. Der Autor belässt es nicht bei einem historischen Ereignis, sondern stellt sich mit seiner Argumentation, der Aufstand sei ein "faschistischer Umsturzversuch des Westens", durchaus "lienientreu" dar. Heutzutage längst überholt, wirkt so das Ende auf den Leser befremdend und störend.

Erzählt werden keine Besonderheiten aus der Zeit des Aufbaus, Alltägliches wird einfach aus dem Leben gegriffen. Den Roman auf einen DDR-Kommentar zu reduzieren, wäre allerdings unangemessen, da grade der häufige Perspektivenwechsel zwischen den Schauplätzen etwas anderes besagt. Der Text besticht durch seine Vielschichtigkeit und den Blick darüber hinaus: Es finden sich Szenen aus dem "Dritten Reich", Beschreibungen der Nachkriegsjahre in DDR und BRD. Zugleich aber wird deutlich, wie dominant und immer noch präsent die Vergangenheit ist; Krieg und Nationalsozialismus klingen nach im Bewusstsein der Menschen.

Die vorgestellten Figuren sind so verschieden dargestellt, dass sie gut auseinander gehalten werden können. Jeder Werdegang ist detailreich und gut vorstellbar beschrieben. Bräunig führt die Denkprozesse seiner Protagonisten mit Empathie in inneren Monologen vor und lässt auf diese Weise den Leser daran teilhaben.

Von der Vergangenheit eingeholt

Christa Wolf hinterfragt in ihrem Vorwort zum Roman die Wirkung des Textes auf seine heutigen Leser. Natürlich ist diese eine andere als damals. Der Leser erhält eine spannende und realitätsnahe Beschreibung der Nachkriegszeit, die vor dem Hintergrund von Wiedervereinigung und Annäherung zwischen Ost und West nur allzu lebendig erscheint. Wer sich also mit den Anfangsjahren der beiden deutschen Staaten befassen möchte, sollte diesen Roman unbedingt lesen.

Edda Neumann

Werner Bräunig: Rummelplatz. Aufbau-Verlag, Berlin 2007, 768 Seiten, 24,95 Euro, ISBN-13: 978-3351032104

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