Friedrich Ebert zähle zu den mächtigsten und einflussreichsten Politikern, unterstrich Klaus Wettig, Geschäftsführer des Freundeskreis Willy Brandt-Haus. Und doch sei die Rolle des ersten
Reichspräsidenten der Weimarer Republik stets umstritten gewesen. Die Frage, ob Ebert Chancen verpasst oder Katastrophen verhindert habe, ist zentral.
Der Buchautor Walter Mühlhausen betonte, es sei ihm ein Anliegen "Friedrich Ebert historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen." Eberts Leistungen sollen gewürdigt, seine Fehler und
Fehleinschätzungen besprochen und erläutert werden, erklärte der Historiker. Auf mehr als 1000 Seiten widmet sich Mühlhausens Biographie diesem Vorhaben.
Gestern Abend führte das Fernseh-Feature "Friedrich Ebert - Vom Parteiarbeiter zum Reichspräsident", von 1993, in die Thematik ein. Ebert, der aus "kleinen Verhältnissen" stammte, wurde
nach August Bebels Tod Vorsitzender der SPD. Als das Kaiserreich 1918 zerfiel, wurde er zunächst Reichskanzler, während der Novemberrevolution Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten. Gegen
Widerstand setzte er die parlamentarische Demokratie durch und wurde schließlich erster Präsident der Weimarer Republik.
Die politischen Wirren der ersten Republikjahre verlangten Ebert schwierige Entscheidungen ab. Viele davon riefen Kritik bei den zahlreichen Gegnern der jungen Republik, aber auch in der
SPD hervor. Ebert machte seine Entscheidungsbildung und die Motive seines Handelns kaum öffentlich. So waren viele seiner Verfügungen schwer nachvollziehbar. Mühlhausen betonte, dass Ebert stets
um Konsens bemüht war. Er bezeichnete ihn als "Mann des Ausgleiches und des Ausgleichens." Er habe sich stets der überparteilichen Integration verpflichtet gefühlt, und Geschlossenheit in den
eigenen Reihen gefordert.
Der Reichspräsident war zahlreichen Angriffen und Schmutzkampagnen ausgesetzt. Mehr als 200 Prozesse führte Ebert im Laufe seiner Amtszeit. Letztlich zermürbten ihn seine Kritiker und
trugen zu seinem frühen Tod bei. Mühlhausen nannte den Politiker einen "einsamen Rufer in einer zerklüfteten politischen Landschaft."
Als Friedrich Ebert 1925 starb, befand sich die Weimarer Republik in einer Phase der relativen Stabilität. Allerdings erfüllte der erste Reichspräsident sein Amt ohne "Glanz und Gloria," er
besaß keine "Aura des Besonderen," so Mühlhausen. Mit seiner Biographie will er "Ebert aus dem historischen Schatten ziehen." Eberts Aufgabe sei es gewesen "zu verhindern, dass Krisen zu
Katastrophen wurden."
Birgit Güll
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.