Kultur

In Vergessenheit geraten

von Edda Neumann · 13. März 2009
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Der Saal in der Berliner Landesvertretung Rheinland-Pfalz war gut gefüllt. Zusammen mit Michael Braun, Autor und Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität zu Köln, stellte Dr. Sonja Hilzinger, Lektorin und Wissenschaftsberaterin ihre Biographie zu Elisabeth Langgässer vor. Bisher hat die Autorin unter anderem Biographien zu Anna Seghers (2000) und Christa Wolf (2007) veröffentlicht. Für ihre neueste Publikation verwendete Hilzinger persönliche Briefe und Dokumente sowie Material aus dem zeit- und kulturgeschichtlichen Kontext, der für die Lebensgeschichte Langgässers bedeutsam war.

Ein bewegtes Leben

Geboren wurde Elisabeth Langgässer 1899 in Alzey (Rheinland-Pfalz). Nach dem Tod ihres Vaters ging sie zusammen mit ihrer Mutter und dem älteren Bruder nach Darmstadt, wo sie später das Lehrerinnenseminar absolvierte. Als junge Volksschullehrerin (1919-1928) unternahm Langgässer bereits literarische Schreibversuche. 1924 erschien ihr erster Gedichtband "Der Wendekreis des Lammes".
Die Situation änderte sich, als sie den jüdischen Staatsrechtler Hermann Heller kennen lernte und mit ihm eine Liaison anfing. 1929 kam Tochter Cordelia unehelich zur Welt. Die nun alleinerziehende Mutter wurde aus dem Schuldienst entlassen, da zu dieser Zeit das Zölibat auch für Lehrerinnen galt.
Länggässer übersiedelte zu ihrer Mutter nach Berlin, wo sie eine neue Anstellung als Sozialpädagogin in der Sozialen Frauenschule in Berlin-Schöneberg fand. Ab 1931 arbeitete sie als freie Schriftstellerin und schrieb unter anderem Hörspiele für den Berliner Rundfunk.
Als "Halbjüdin" von den Nazis eingestuft wurde Langgässer aus der Reichschrifttumskammer ausgeschlossen, was einem Publikationsverbot gleich kam. Zu ihrem Glück heiratete sie 1935 - noch vor den Nürnberger Gesetzen - den Redakteur und Philosophen Wilhelm Hoffmann. Aus dieser Ehe gingen drei weitere Töchter hervor. In dieser "privilegierten Mischehe" blieb Langgässer weitestgehend von den antijüdischen Erlassen des Regimes verschont. Ab 1942 musste sie jedoch in einer Rüstungsfabrik Zwangsarbeit leisten. Bereits zu dieser Zeit machten sich erste Anzeichen einer Multiple-Sklerose Erkrankung bemerkbar, an der Langgässer 1950 starb.

Mutter und Tochter

Wesentlich schlechter erging es Langgäsers Tochter Cordelia, die als "Volljüdin" galt. 1941 musste sie ihre Familie verlassen und den Judenstern tragen. Obwohl sie nach einer Adoption 1943 die spanische Staatsbürgerschaft erhielt, wurde sie von der Gestapo gezwungen, die doppelte Staatsangehörigkeit anzunehmen. Damit unterstand Cordelia wieder den deutschen Gesetzen. Schließlich wurde sie erst nach Theresienstadt und dann weiter nach Auschwitz deportiert. Erst 1946 erhielt die Mutter Auskunft aus Schweden, dass ihre Tochter überlebt hatte. 1949 dann endlich sah sie Cordelia Edvardson wieder.

Im Gespräch betonte Sonja Hilzinger, dass die Lebensgeschichte Cordelia Edvardsons die ihrer Mutter Elisabeth Langgässers sehr gut ergänze. Dass Cordelias jüdische Identität in der Familie komplett ausgeblendet wurde, sei damals für das Mädchen genauso eine traumatische Erfahrung gewesen wie die familiäre Trennung.

Leben und Werk

Hilzinger beschreibt die Persönlichkeit Langgässers als widersprüchlich und problematisch. Im Leben Langgässers, so die Biographin, gäbe es bestimmte Grauzonen, vor allem was die NS-Zeit beträfe. Ihre jüdische Identität habe sie zugunsten ihrer katholischen völlig aufgegeben. Auch die Tatsache, dass sie nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten in den letzten freien Wahlen im März 1933 ihre Stimme Adolf Hitler gab, wirke verwirrend. Ihre Naturlyrik und überwiegend christlich orientierte Literatur müsse wohl als ein Art Rückzugsraum zur Ausblendung der politischen Verhältnisse betrachtet werden, führte die Autorin weiter aus.

Heute basiert Elisabeth Langgässers Bedeutung weniger auf ihrem literarischen Schaffen, sondern vielmehr auf ihrer Stellung im intellektuellen Milieu während der Weimarer Republik und der Nachkriegszeit. Unter ihren Freunden, Bekannten und Briefpartnern finden sich zahlreiche zeitgenössische Literaten und Intellektuelle.
Wer mehr über Elisabeth Langgässer erfahren möchte, dem sei diese Biographie wärmstens empfohlen. Weiterführende inspirierende Ergänzung sind die autobiographischen Texte von Cordelia Edvardson "Gebranntes Kind sucht das Feuer"und "Die Welt zusammenfügen".

Edda Neumann

Sonja Hilzinger: Elisabeth Langgässer. Eine Biographie, Verlag für Berlin-Brandenburg 2009, 512 Seiten, 29,90 Euro, ISBN-13 978-3866502505.

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