Kultur

Unterwegs mit der Kommunikationsguerilla

In den USA sind die „Yes Men“ die Superstars des schrillen Protests. Der gleichnamige Dokumentarfilm zeigt, welche Persönlichkeiten hinter dem Duo stecken und was es heißt, sich über Jahre gegen Lobbyisten und für den Klimaschutz aufzureiben.
von ohne Autor · 21. August 2015

Phantasie und Humor beschreibt der serbische Oppositions-Veteran Srdja Popovic in seinem Buch „Protest“ als die wesentlichen Mittel, um Diktatoren zu stürzen. Fasst man den Rahmen dieser Theorie etwas weiter, müssten Jaques Servin und Igor Vamos, die seit den 90er-Jahren als „Yes Men“ die USA unsicher machen, auf  gutem Wege sein. Ihre Gegner sind nicht in erster Linie Spitzenpolitiker, sondern allmächtige Lobbys und Großkonzerne in Amerika, deren Handeln weltweite Auswirkungen hat, dem allerdings jegliche demokratische Legitimierung abgeht. Wem mag man es verübeln, solche Strukturen als diktatorisch zu empfinden und zu resignieren?

Mit einer fingierten Erklärung in die Nachrichten

Servin und Vamos kämpfen dafür, eben nicht klein beizugeben. Ihr Aktionsfeld ist der Kampf gegen den Klimawandel und die Schattenseiten der wirtschaftlichen Globalisierung. Auf Pressekonferenzen verkünden sie – gewandet in Second-Hand-Anzügen, akkurat frisiert und stets von souveräner Freundlichkeit – erfundene Botschaften, die sich viele Gesinnungsgenossen wünschen würden, aber deren Gegner zum Wahnsinn treiben. Wie etwa die von ihnen lancierte Forderung der US-Handelskammer nach einer CO2-Steuer für die heimische Industrie. Mit einer fingierten Erklärung im Namen von Dow Chemical, die Verantwortung für die Giftgaskatastrophe von Bhopal zu übernehmen, brachten sie zeitweise sogar den Aktienkurs des Chemieriesen ins Schlingern. Derlei Einlagen, die meist heftige Proteste und juristische Drohungen jener, in deren Namen sich die „Yes-Men“ angeschickt hatten, zu sprechen, nach sich ziehen, machten die beiden New Yorker zu Stammgästen in den Hauptnachrichten.

All das war bereits Thema zweier Dokumentarfilme, die, wie auch die jüngste Produktion, auf mehreren Filmfestivals liefen. Auch der Abschlussteil der Trilogie schildert eindrücklich, wie aus Ideen Aktionen und schließlich Nachrichten werden und welcher Aufwand an Menschen und Material dafür nötig ist. Etwa, wenn mehrere Dutzend Menschen in klobige Überlebensbälle schlüpfen und sich übers Wasser in Richtung des UN-Hauptquartiers in New York treiben lassen, um das „ultimative“ Mittel zu präsentieren, sich gegen Hochwasser und andere Folgen der Erderwärmung zu schützen. Bei anderer Gelegenheit streut das Duo als getürkte Shell-Manager die Pläne des Konzerns zur Ausbeutung der Ölreserven unters ahnungslose Volk – und das  reagiert begeistert. Fachleute sprechen von „Kommunikationsguerilla“.

Zwei Männer auf der Suche nach ihrem Platz im Leben

Doch der Fokus richtet sich immer wieder auf die Frage, was das jahrelange Umhertingeln für die gute Sache eigentlich mit den beiden Protagonisten macht. Was hält sie bei der Stange? Was lässt sie zweifeln und lustlos werden, vielleicht sogar ohnmächtig? In vielen privaten Videos lernen wir die weniger schrille Seite der „Yes Men“ kennen. Wir treffen auf zwei Männer – beide deutlich jenseits der 40 und im Hauptberuf Uni-Professoren – , die ungeschminkt vorführen, wie sie ihren Platz im Leben suchen, wenngleich auch in jenen nachdenklichen Momenten der Humor der öffentlichen Figuren aufblitzt.

Immer wieder geht es um die Frage: Wo bleibt die Kraft für Familie und Partnerschaft, wenn sich im Kopf stets alles um die nächste Aktion dreht, deren Ausgang und Erfolg ungewiss ist? Und wie wirkt sich dieses Ringen um individuelles Glück auf das vom Geist der Gemeinschaft getragene Engagement aus? Auch erfahren wir, wie die Familiengeschichte den Weg an die Spitze eines Protestbündnisses bahnen kann.

Einblicke ins Private

Immer wieder ist davon die Rede, alles hinzuwerfen, weil am Ende doch die Konzerne ihre Interessen durchdrücken, kräftig unterstützt durch die US-Regierung. Doch dann zeigt die Occupy-Bewegung, dass doch nicht alles umsonst war. Es ist nicht der einzige Hoffnungsschimmer für diese leidenschaftlichen Männer, die mit dem „Yes Lab“ zudem eine Nichtregierungsorganisation gegründet haben.

So liefern die Einblicke ins Private – wozu auch zahlreiche Gespräche zwischen Servin und Vamos gehören, in denen sie sich und ihr Engagement hinterfragen – mit Undercover-Videos und für das Internet produzierten Mitschnitten von den Guerilla-Einsätzen ein interessantes Gesamtbild. Und auch die Ahnung einer Antwort auf die Frage: Was kostet (mich) der Protest?

Info: Die Yes Men – Jetzt wird’s persönlich (USA 2015), Regie: Laura Nix und die Yes Men, mit Jaques Servin, Igor Vamos u.a., 91 Minuten. Ab sofort im Kino.

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