Kultur

Uneinig in die Einheit?

von Die Redaktion · 31. August 2006

Dabei bringt der Autor selbst einen Beleg dafür, wie erstaunlich doch nach längeren Querelen die in der "Berliner Erklärung" vom Dezember 1989 erkennbare gemeinsame deutschlandpolitischen Stellungnahme war, die nach den Worten Sturms weit über den Kohl'schen Stufenplan hinausging. Die Erklärung war nicht zuletzt das Verdienst des von Sturm oft sehr "oberlehrerhaft" abgekanzelten Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel, der auch in dieser Frage beharrlich und erfolgreich versuchte, die Partei zusammenzuhalten.

Aber auch wenn manche Vorwürfe Sturms gegen Teile der SPD vielfach schwarz-weiß-gestrickt wirken: das Buch ist eine sehr fleißig aus den zugänglichen Quellen und aus den Berichten von Zeitzeugen gearbeitete Untersuchung über den Prozess der Vereinigung und des Umgangs der SPD damit. Wer also wissen will, wer aus den Reihen der SPD wann was in diesem Zusammenhang 1989/90 und danach gesagt hat, wird vieles davon in diesem Buch finden. Und wenn der Leser noch einmal den "Eiertanz" um die Zustimmung zur Währungsunion zur Kenntnis nehmen muss, kann er Sturm nur zustimmen, wenn er das ein "unglückliches Agieren" nennt, das zur politischen Selbstlähmung" im Jahre 1990 führte. Sturm erzählt mit großer Akribie, was passiert ist. Der Autor will freilich mehr: er will erklären, warum das alles passiert ist. Dieses Versprechen aber vermag der Autor trotz forscher Urteilsfreudigkeit nicht einzulösen. Manche eindeutige Fehlurteile, so etwa über die Motive für das Verhalten von Hans-Jochen Vogel oder des damaligen DDR-Außenministers Markus Meckel, erklären sich aus der geringen Bereitschaft des Autors, über das engere Parteileben hinausweisende, auch internationale Zusammenhänge zur Kenntnis zu nehmen.

Aber der Umgang der SPD mit dem Prozess der Vereinigung ist noch lange keine abgeschlossene Geschichte. Sozialdemokraten sind, so Willy Brandt im Jahre 1977, "keine Leute, die vor ihrer eigenen Geschichte flüchten". Es wäre gut, wenn sich die SPD auch dieser Geschichte stellte, ohne erhobenen Zeigefinger, aber auch ohne Neigung, Fehlverhalten zu beschweigen. Das Buch von Sturm kann dazu eine Hilfe sein, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Daniel Friedrich Sturm "Uneinig in die Einheit. Die Sozialdemokratie und die Vereinigung Deutschlands 1989/90" (Willy-Brandt-Studien), Verlag J.H.W.Dietz Nachf. Bonn, 2006, 520 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 3-8012-0363-8



Siegfried Heimann

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