Kultur

Und alle sind wir Menschen

von Die Redaktion · 23. November 2006

Tahar Ben Jelloun, der in Frankreich lebende bekannte marokkanische Autor

hat ein neues Buch vorgelegt. Sein spannender Roman lässt die Leserinnen

und Leser in eine fremde Welt eintauchen, die für die Zeit der Lektüre zu ihrer

eigenen wird.

Held des Buches ist Azel, ein junger Marokkaner. Unter vielen Entbehrungen hat

die Mutter ihm ein Jura-Studium ermöglicht. Nach dessen Abschluss findet er

keine Arbeit. Er und schämt sich deswegen vor Mutter und Schwester.

Azel träumt nun - wie viele seiner Generation - den Traum vom gar nicht so

fernen und doch nahezu unerreichbaren Europa. Die Küste Spaniens liegt

seiner Heimatstadt Tanger gegenüber.

In Tanger widerfährt ihm ein Missgeschick nach dem anderen. Das ändert sich

auch nicht, als er den Kunsthändler Miguel kennenlernt, der den von den

Handlangern eines Menschenhändlers, Dealers und Betrügers verprügelten

Azel aufliest. Der wohlhabende Galerist hat Kontakte zu den höchsten

marokkanischen Kreisen. Und so hätte es Azel helfen können, sich auf eine

Anstellung bei ihm zu berufen, als er während einer Kampagne gegen Dealer

mit einer ihm zugesteckten kleinen Menge Haschisch verhaftet wird. Aber den

Polizisten ist Miguels Homosexualität bekannt. Und bevor sie ihm Azel

übergeben, vergewaltigen sie den jungen Juristen.

Azel will nun nur noch fort aus dem Land. Mutter und Schwester verstehen

seinen Wunsch. Azels Mutter versucht sich einzureden, Miguel sei ein feiner

Mann, der ihrem Sohn eine berufliche Chance geben wolle und sicher in ihre

Tochter, Azels Schwester, verliebt sei.

Azel kommt in das Land seiner Träume. Doch die ersehnte Zukunft ist völlig

anders, als er sie sich erträumt hat. Er ist der Diener und gedemütigte

Lustknabe Miguels. Miguel lässt Azel widerfahren, was ihm selbst in der Jugend

angetan wurde. Azel geht daran zugrunde. Seine Schwester Kenza, mit der

Miguel eine Scheinehe eingegangen ist, schafft es in Spanien beruflich ihren

Weg zu gehen. Sie verwindet aber trotz Miguels Verständnis und Beistand ihre

unglückliche Liebe zu einem türkischen Migranten nicht, der illegal in Spanien

lebt und in der Heimat verheiratet ist. So kehrt sie nach Marokko zurück.

Der Autor beweist auch in diesem Buch Einfühlungsvermögen und sprachliche

Meisterschaft. Es ist der Übersetzerin Christiane Kayser zu danken, dass dies

auch in der deutschen Fassung deutlich wird.

Dorle Gelbhaar

Tahar Ben Jelloun "Verlassen", aus dem Französischen von Christiane Kayser,

Berlin Verlag, 2006, 267 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 13-978-3-8270-0652-3

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