Tahar Ben Jelloun, der in Frankreich lebende bekannte marokkanische Autor
hat ein neues Buch vorgelegt. Sein spannender Roman lässt die Leserinnen
und Leser in eine fremde Welt eintauchen, die für die Zeit der Lektüre zu ihrer
eigenen wird.
Held des Buches ist Azel, ein junger Marokkaner. Unter vielen Entbehrungen hat
die Mutter ihm ein Jura-Studium ermöglicht. Nach dessen Abschluss findet er
keine Arbeit. Er und schämt sich deswegen vor Mutter und Schwester.
Azel träumt nun - wie viele seiner Generation - den Traum vom gar nicht so
fernen und doch nahezu unerreichbaren Europa. Die Küste Spaniens liegt
seiner Heimatstadt Tanger gegenüber.
In Tanger widerfährt ihm ein Missgeschick nach dem anderen. Das ändert sich
auch nicht, als er den Kunsthändler Miguel kennenlernt, der den von den
Handlangern eines Menschenhändlers, Dealers und Betrügers verprügelten
Azel aufliest. Der wohlhabende Galerist hat Kontakte zu den höchsten
marokkanischen Kreisen. Und so hätte es Azel helfen können, sich auf eine
Anstellung bei ihm zu berufen, als er während einer Kampagne gegen Dealer
mit einer ihm zugesteckten kleinen Menge Haschisch verhaftet wird. Aber den
Polizisten ist Miguels Homosexualität bekannt. Und bevor sie ihm Azel
übergeben, vergewaltigen sie den jungen Juristen.
Azel will nun nur noch fort aus dem Land. Mutter und Schwester verstehen
seinen Wunsch. Azels Mutter versucht sich einzureden, Miguel sei ein feiner
Mann, der ihrem Sohn eine berufliche Chance geben wolle und sicher in ihre
Tochter, Azels Schwester, verliebt sei.
Azel kommt in das Land seiner Träume. Doch die ersehnte Zukunft ist völlig
anders, als er sie sich erträumt hat. Er ist der Diener und gedemütigte
Lustknabe Miguels. Miguel lässt Azel widerfahren, was ihm selbst in der Jugend
angetan wurde. Azel geht daran zugrunde. Seine Schwester Kenza, mit der
Miguel eine Scheinehe eingegangen ist, schafft es in Spanien beruflich ihren
Weg zu gehen. Sie verwindet aber trotz Miguels Verständnis und Beistand ihre
unglückliche Liebe zu einem türkischen Migranten nicht, der illegal in Spanien
lebt und in der Heimat verheiratet ist. So kehrt sie nach Marokko zurück.
Der Autor beweist auch in diesem Buch Einfühlungsvermögen und sprachliche
Meisterschaft. Es ist der Übersetzerin Christiane Kayser zu danken, dass dies
auch in der deutschen Fassung deutlich wird.
Dorle Gelbhaar
Tahar Ben Jelloun "Verlassen", aus dem Französischen von Christiane Kayser,
Berlin Verlag, 2006, 267 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 13-978-3-8270-0652-3
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