Kultur

Umgang mit Geschlechterrollen: Wir sind dann mal so frei

Gegen Erwartungen und kulturelle Normen anzukämpfen ist schwierig. Dass sich der Versuch dennoch lohnt, zeigt Katrin Rönicke in ihrem klugen Buch „Bitte freimachen. Eine Anleitung zur Emanzipation“.
von · 4. August 2015

Es gibt Menschen, die hätte man gerne immer dann an seiner Seite, wenn man etwas hilflos ist. Überfordert von Situationen, von Menschen – und nicht weiß, was eigentlich das Problem ist und wie man damit umgehen soll. Da bräuchte es einen Menschen, der einen kühlen Kopf behält. Der einem beruhigend auf die Schulter klopft und sagt: „Ja, das ist ein Problem. Aber hey, lass uns doch mal drüber nachdenken und vielleicht finden wir zusammen eine Lösung.“

So ein Mensch ist Katrin Rönicke, Journalistin, Bloggerin, Podcasterin – und nun auch Buchautorin. In „Bitte freimachen. Eine Anleitung zur Emanzipation“ beschäftigt sie sich damit, wie Geschlechterrollen das Leben von Frauen (aber auch Männern) bestimmen und wie Frauen sich von ihnen befreien können. Rönicke schreibt: „Wir sind gefangen in Bildern, Erwartungen und kulturellen Normen. Überall wird festgelegt, was richtig, schön oder kultiviert ist und was nicht.“ Die gute Nachricht ist: Rönicke hat eine Art eingebauten Bullshit-Detektor. Sie erkennt, wann solche Erwartungen und Normen unser Handeln bestimmen – und versucht, Wege aus dieser Fremdbestimmung heraus zu zeigen.

Im eigenen Kopf anfangen

Dass es viele Arten der Emanzipation gibt, musste Katrin Rönicke selbst erst lernen. Als Teenager dreht sich alles um ihren Körper, ein vermeintliches Mängelexemplar: zu weiblich, zu groß, zu hässlich. Es folgt der unbedingte Wunsch, einfach jemand anderes sein zu können – bevorzugt jemand ohne Mono-Augenbraue – sowie eine Diät, die fast in die Magersucht führt. Doch im Kopf des Teenagers macht es gerade noch rechtzeitig Klick und Rönicke findet sich gar nicht mehr so schrecklich: „Ich war 14 Jahre alt als ich lernte, dass man im eigenen Kopf anfangen muss.“

Es kann sich also nichts ändern, wenn man nicht bei sich selbst anfängt. Und änderungswürdig wäre vieles heutzutage. Rönicke schreibt unter anderem über Sex, Elternschaft, die feministische Netzszene und Frauen beim Militär. Stets sehr persönlich und eher nachdenklich – ein Stil, der von jeher Rönickes Texte auszeichnet. Sie kann auch steile Thesen, klar, und eine Meinung hat sie sowieso. Das macht ihre Texte, das macht „Bitte freimachen“ aber nicht einseitig. Vielmehr wirkt Rönicke wie jemand, der sich Debatten ganz genau anschaut und sich in Ruhe eine Meinung bildet, ohne sich vom Hintergrundgetöse groß beeindrucken zu lassen.

Es kann sich etwas ändern

Rönicke geht es darum, dass Frauen und Männer selbstbestimmt leben können sollen. Es geht ihr ums Freimachen, ums Emanzipieren. Mit Linda Zerilli definiert sie Emanzipation als die „Fähigkeit, vorgegebene Grenzen zu überschreiten“.  Oft, so findet Rönicke, fehlt uns schlicht Fantasie: Eine Vorstellung davon, wie es sein könnte, wenn wir uns nach dem richten, was wir eigentlich wollen. Wenn wir Liebe mal nicht nur im heterosexuellen Monogamie-Ideal denken. Oder wenn wir uns neue Familienformen überlegen.

Es ist schwer, gegen systematische Benachteiligungen, Sexismus und Vorurteile anzukommen, auch das macht Katrin Rönicke klar. Sie macht aber auch viel Hoffnung: Dass sich etwas ändern kann, wenn der Kopf erstmal begriffen hat, dass sich etwas ändern muss. Veränderung beginnt im Kleinen – und vielleicht wird etwas Großes daraus. Rönicke schreibt: „Noch leben wir in einer Welt, in der Männer als die natürlichen Helden gelten (...) Wir müssen endlich selbst Heldinnen werden.“ Nach der Lektüre von „Bitte freimachen“ fühlt man sich für diese Rolle schon besser gewappnet.

Katrin Rönicke: „Bitte freimachen. Eine Anleitung zur Emanzipation“. Metrolit Verlag, 224 Seiten, 22 Euro

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