Kultur

Ulrich Matthes: „Ich finde das Politiker-Bashing furchtbar“

Ulrich Matthes, Schauspieler und Präsident der Deutschen Filmakademie, erklärt, warum er sich – gerade in Corona-Zeiten – die Politik als Partner von Kulturschaffenden wünscht. Und warum er meistens die SPD wählt.
von Karin Nink · 9. Juli 2020
Ulrich Matthes
Ulrich Matthes

Was machen Sie als Schauspieler in der Corona-Krise?
Ich sehne mich nach den stillstehenden Möglichkeiten meines Berufs. Ab Anfang Juli drehe ich wieder einen Film. Das ist wunderbar! Ansonsten habe ich das gemacht, was alle viele Wochen gemacht haben. Ich habe mich irgendwie über Wasser gehalten, indem ich gelesen, meinen Körper ein bisschen bewegt und mich auch mit anderen Menschen getroffen habe – mit Abstand.

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation von Kinos und Theatern?
Ich bin dankbar, dass sich die Politik jetzt wirklich um die Kultur gekümmert hat. Am Anfang des Lockdowns habe auch ich beklagt, dass es für die Kultur zu wenig Aufmerksamkeit gab. Mittlerweile ist da aber nachgebessert worden, auch innerhalb des Konjunkturpakets. Trotzdem bleibt es für viele Künstlerinnen und Künstler wahnsinnig schwierig.

Wieso?
Staatstheater wie das Deutsche Theater in Berlin, an dem ich beschäftigt bin, müssen sich keine Sorgen machen. Der Staat wird sie schützen. Was mir aber weiter Sorge macht, ist die Lage der privaten Theater, der kleineren und freien Bühnen und natürlich der Menschen, die da arbeiten. Sowohl Institutionen sind nach wie vor gefährdet als auch Künstlerinnen und Künstler, die als Solo-Selbstständige tätig sind oder kurzfristige Anstellungsverträge haben.

Bei den Kinos ist es so, dass man wirklich jetzt nur flehentlich darum bitten kann, dass die Leute wieder ins Kino gehen! In manche kleineren Säle können mal eben maximal zehn Leute, das holt nicht mal die Fixkosten rein. Insofern ist mein Appell: Freunde und Freundinnen, geht bitte ins Kino – aus Solidarität, um eure Kinos in euren jeweiligen Kiezen zu erhalten!


Kann das beschlossene Hilfspaket die Kultur retten?
Das wird sich zeigen. Aber die verschiedenen Maßnahmen, die die große Koalition beschlossen hat, finde ich gut und richtig, auch die symbolischen wie u.a. den Podcast der Bundeskanzlerin. Natürlich liegt mir auf der Zunge zu sagen: Es ist wahrscheinlich nicht genug, und es wird noch nachgelegt werden müssen. Das sehen wir aber alle erst – sowohl wir, die es betrifft, als auch die Politik – in den nächsten Monaten. Und dann ist meine Bitte an die Politik, sich das genau anzugucken und zwar mit dem Selbstbewusstsein, das man als Kulturnation Deutschland haben kann.

Wie meinen Sie das?
Na ja, es wird ja im Vergleich zu anderen Staaten bei uns sehr viel getan in allen möglichen kulturellen Bereichen. Der Staat kümmert sich in Deutschland – bis ins kleinste Kaff, sage ich mal liebevoll. Dafür bin ich dankbar. Denn dort, wo wie z. B. in den USA fast alles Mäzenen überlassen wird, herrscht eine völlig andere, eine absolut kommerzielle Kultur.

Wie sehen Sie als Künstler die Politik?
Ich finde dieses allgemeine Politiker-Bashing furchtbar. Ich bin selber ein kritischer Staatsbürger, selbstverständlich, aber die Politiker als eine Art von „Diesind-alle-gleich-Elite“ über einen Kamm zu scheren, finde ich hochgefährlich. Man betreibt damit das Geschäft der AfD. Ich sehe die Politikerinnen und Politiker eher als Partner der Kultur und nicht als Gegner, die man mit der Pistole im Anschlag auffordert: Freunde, rückt mal die Kohle raus. Wir kriegen es nur gemeinsam hin. Und das funktioniert eben nicht mit Bashing. Kritisches Bewusstsein, ja, aber Bashing, nein.

Inwiefern ist Politik Partner der Kultur?
Als 20-Jähriger hielt ich es für des Teufels, die Union zu wählen. (lacht) Das ist auch richtig für einen 20-Jährigen. (lacht erneut) Im Laufe meines Lebens habe ich aber Politikerinnen und Politiker aus unterschiedlichen Parteien kennenund schätzen gelernt. Da verliert sich die ideologische Aufgeladenheit der Jugend deutlich. Mittlerweile halte ich – außer der AfD – erstmal alle Parteien im demokratischen Spektrum für theoretisch wählbar. Persönlich habe ich natürlich größere Sympathien für die eine oder andere Partei. Ich habe, und das sage ich nicht nur im „vorwärts“, meistens die SPD gewählt, gerade im Bund.

Meine Bereitschaft, die Leistung von Politikern anzuerkennen, gerade auch die von Kommunalpolitikern – ich sage nur die Auseinandersetzungen mit der AfD – , ist enorm hoch. Dann aber setzt auch das kritische Bewusstsein ein, so dass ich einzelne Entscheidungen – unabhängig von grundsätzlicher Sympathie für jemanden – auch einfach daneben finde. Prinzipiell müssen Kultur und Politik Antagonisten sein mit gegenseitiger Empathie füreinander. Diese Mischung aus Kritikfähigkeit und Antagonismus auf der einen und Empathie auf der anderen Seite finde ich für unsere Gesellschaft enorm wichtig.

Was ist die Rolle der Kultur in dieser Krise?
Im Grunde ist die Rolle der Kultur in unser aller Leben unabhängig von Krisen, auch von dieser Krise. Auf der einen Seite ist Kultur natürlich dazu da, ein kritisches Bewusstsein zu wecken und zu fördern, die Bürgerinnen und Bürger eines Landes wachzuhalten gegenüber dem, was in unserem Land passiert. Das ist eine wesentliche Aufgabe von Kultur. Zum anderen fördert Kultur Empathie, zumal die darstellenden Künste. Das Kino, das Theater, die Oper, letztendlich auch der Tanz drücken verschiedene Menschenmöglichkeiten aus. Sie zeigen das Widersprüchliche im Menschen, sie lassen uns offener werden für etwas, was einem zunächst fremd erscheinen mag – und zwar emotional wie intellektuell.

Glauben Sie, dass Kultur hilft, gut aus dieser Krise zu kommen?
Da ich zu vorsichtigem Optimismus neige, würde ich sagen: Ja, unbedingt. Kultur hilft immer, nicht nur in Krisen! (lacht) Inwieweit eine gesamte Gesellschaft sich tatsächlich durch diese Krise wesentlich zum Positiven verändern wird, zu einer Art größerer Solidarität, da bin ich, obwohl ich mir das sehnlich wünsche, – offen gestanden – eher skeptisch. Ich habe das Gefühl, dass es jetzt schon wieder so etwas wie Verteilungskämpfe gibt im öffentlichen Raum und dass das Bewusstsein, diese Krise wirklich gemeinsam durchstehen zu wollen, bei vielen eher schwindet.

Bedauern Sie das?
Sehr! Dieses ganz einfache Gefühl von Solidarität und von Rücksichtnahme auf den Anderen, was oft so kompliziert zu sein scheint im Alltag, das könnte doch jetzt eine Chance sein. Einfach zu sagen: Liebe Leute, wir kriegen es nur gemeinsam hin.

Ulrich Matthes wurde 2019 zum Präsidenten der Deutschen Filmakademie gewählt, als Nachfolger von Iris Berben. Er lebt in Berlin.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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