Zwei alte Haudegen des politischen Protestsongs: Hannes Wader und Konstantin Wecker – inzwischen beide jenseits der 60 – gehen gemeinsam auf Tour. Begleitet werden sie vom 1982 geborenen Regisseur Rudi Gaul. Der macht aus diesem Zusammentreffen der Generationen das einfühlsame Doppelporträt „Wader Wecker Vaterland“.
Ihre Musik gehört zum Liedgut der deutschen Linken. So scheint es fast selbstverständlich, dass sie gemeinsam auf Tour gehen. Doch es wird schnell deutlich, wie unterschiedlich sie sind. Wader, vor jedem Konzert nervös und voller Selbstzweifel und Wecker, die Rampensau („Ich geh mit voller Freude an meine Konzerte ran“), zu jedem Spaß bereit, heiß auf den Kontakt mit dem Publikum.
Der Eigenbrödler und die Rampensau
Das war schon früher so. Gaul nutzt für seinen Film Archivmaterial: Der verschwitzte Wecker auf der Bühne. Er haut ihn die Tasten seines Klaviers, springt auf, spielt im Stehen weiter, angetrieben von der Aufmerksamkeit des Publikums. Und Wader: Spindeldürr und stocksteif steht er in einer Kneipe und zupft die Saiten seiner Gitarre. Mit seinem schulterlangen Haar wirkt er wie ein mittelalterlicher Barde. „Ich wollte so minimalistisch sein, dass mir schon die sechs Saiten einer Gitarre zuviel waren“, sagt er über sich selbst.
Jetzt ist er mit Wecker auf Tour und der hat sich ausgedacht, dass Wader auf die Bühne tänzeln und dabei „Sag mir quando, sag mir wann“ singen soll. Ein Gag, den Wecker sehr komisch findet. Wader, stocksteif, versucht ihn umzusetzen. An diesem Punkt der Proben meint man, die Tournee wird ein Horrortrip vor laufender Kamera. Wird sie aber nicht. Irgendwann werden die Hüften von Wader ein wenig lockerer. Leicht fällt ihm das nicht: „Weil ich doch normal ein Einzelgänger bin. Und dann mit der Band und mit jemandem, der so eine Präsenz hat wie mein lieber Freund Konstantin. Das war schon eine Herausforderung für mich.“
Die gemeinsame Tour ist ein Wagnis, das sich letztlich für beide lohnt. Nach einem gelungenen Konzertabend, hinter der Bühne, sagt Wecker: „Hannes, es ist schön, mit Dir auf Tour zu sein. Große Freude.“ Und Wader, sichtlich gerührt, antwortet: „Große Freude. Das machen wir morgen wieder.“ Mehr geht nicht. Mehr braucht es aber auch nicht.
Von DKP und Drogensucht
Die beiden Liedermacher sprechen über die Brüche in ihren Biografien. Schöne Szenen im Zug – beide Männer in Zeitungen vertieft, die Landschaft zieht an ihnen vorbei – leiten die Zeitreise ein. Wecker floh nach Italien, als sein schneller Erfolg dazu führte, dass zu viele politische Gruppen ihn vereinnahmen wollten. Wader tritt Ende der 70er in die DKP ein. „Lebensrettend“ sei das gewesen. Zwar enttäuschte das einige Fans, die Einkünfte gingen um 60 Prozent zurück. Doch Wader hatte sich positioniert, fand Halt bei der Partei, wenn auch nur für kurze Zeit. Der Zusammenbruch der DDR lässt ihn ratlos und verzweifelt zurück.
Der Strahlemann Konstantin Wecker stürzt öffentlich ab, seine Kokainsucht führt in den Knast, die Presse schaut zu. Das tut sie auch, als Wecker kurz nach der Haft-Entlassung eine fast 30 Jahre jüngere Frau heiratet. Der Skandal ist perfekt. Heute ist Wecker immer noch mit der gleichen Frau verheiratet, sie ist die Mutter seiner Kinder. Gaul ist zu Gast bei den Weckers und bei den Waders. Bei der Arbeit am Film ist offenbar ein Vertrauensverhältnis entstanden, das den Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Gaul zeigt den Genießer in Wader. Die Küche ist sein Revier. Aus seinem Weinkeller holt er zu trinken. Er sammle keine Weine, er lagere sie. „Die trink’ ich alle in einem Jahr aus.“
Dann wird es ernst. Wader gewährt Einblick in einen Abschnitt seines Lebens, über den es ihm schwer fällt zu sprechen: Unwissentlich hatte er an Gudrun Ensslin vermietet. Plötzlich stand er unter RAF-Terrorismusverdacht. Mehr als zehn Jahre sei er von den staatlichen Behörden observiert und vorfolgt worden. Die Repressalien schnürten ihm die Kehle zu. Er konnte nicht mehr essen, trank nur noch Alkohol, gab Konzerte. Es fällt ihm sichtlich schwer darüber zu sprechen. „Ja, ich hab es überstanden. Aber mit tiefen Blessuren“, sagt er.
Eine andere Welt ist möglich
An dem titelgebenden „Vaterland“ arbeiten die beiden Deutschen sich ab, ein Leben lang. „...wie schnell hat man ihm doch verzieh’n, die Toten und die Kriege“ sing Wecker über sein Vaterland. Bei Wader heißt es „Möchte bloß an manchen Tagen, wenn Deutsche Ausländer erschlagen, kein Fremder und kein Deutscher sein.“ Das nationalsozialistische Erbe muss angetreten werden. Die sechs Millionen ermordeten Juden dürfen nicht ad acta gelegt werden. „Und wer nicht jeden Tag daran denkt, den soll der Teufel holen. Ich tu’ das jedenfalls. Das gehört auch zu meinem Deutschsein dazu“, sagt Wader.
Es ist der Wunsch nach einer herrschaftsfreien Gesellschaft, der beide Liedermacher antreibt. Und das Trotz alledem: „Selbst wenn es nicht möglich sein sollte, habe ich das anzustreben. Ich habe mich so zu verhalten, als könnte es so eine Welt geben. Sonst kann ich nicht leben“, sagt Wader auf einer der Zugreisen. Wecker nickt, bekräftigt, dass er diese Welt für veränderbar hält.
Rudi Gauls eindrucksvolles Porträt ist eine Hommage an die beiden Liedermacher. Ihre Musik ist der rote Faden im Film, Archivmaterial zeigt Entwicklungen auf. Gaul biedert sich nicht an, verklärt nicht und beschönigt nicht. Er lässt den beiden Musikern Raum und gibt er dem Film eine Leichtigkeit, die oftmals unterstreicht wie schwer es für sie gewesen sein muss, ihren Idealen treu zu bleiben.
Wir verlosen drei DVDs von „Wader Wecker Vaterland“ und drei DCs von Hannes Wader und Konstantin Wecker unter allen die eine E-Mail an parteileben@vorwaerts.deschreiben, Betreff „Wader-Wecker“. Die Teilnahme ist bis zum 27. Juni 2012 möglich.
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.