Trauer um Harry Rowohlt
Mit dem Übersetzen hatte es angefangen. Harry Rowohlt und Ulla, seine Frau, lebten damals in New York. In einer Buchhandlung entdeckte er das Buch „Die grüne Wolke“ von A.S. Neill. Und stellte überrascht fest: „Der hat nicht nur Bücher über Kinder, sondern auch eins für geschrieben.“ Sein Halbbruder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt im Verlag kannte das Buch, hielt es aber für unübersetzbar. Darauf Harry: „Und da habe ich gefragt, ob ich vielleicht mal dürfte.“ Inzwischen sind es rund 200 Bücher, hauptsächlich von irischen und amerikanischen Autoren, die Harry übersetzt hat. Eine seiner bekanntesten Übersetzungen ist „Pu der Bär“. Der wurde auch für viele Jahre Namensgeber seiner Kolumne „Pooh`s Corner – Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand“ in der „Zeit“. 20 Jahre lang spielte er in der „Lindenstraße“ den Penner Harry. Mit seiner tiefen, brummigen Stimme hat er auch unzählige Hörbücher eingespielt.
Legendär waren seine Solo-Lesungen vor manchmal bis zu dreihundert Zuhörern. Exzessiv wie die Dauer der Veranstaltung – manchmal bis zu sechs Stunden – war dann auch schon mal der Alkoholverbrauch mit einer Flasche irischen Whiskeys oder zwei Flaschen Wein, „Schausaufen mit Betonung“, wie er das nannte.
Ohne ihn wird es öder werden
Kein Wunder, dass er sich auf der Frankfurter Buchmesse einmal den „vorwärts-Stand“ zum Hauptquartier erkoren hatte, wurde doch dort Moselriesling seines alten Winzerfreundes Uli Stein ausgeschenkt.
Als dann ein Arzt bei ihm eine Nervenerkrankung diagnostizierte, war es mit dem Alkohol fast völlig vorbei. Doch auf Lesereisen ging er weiter, solange er konnte. Und blieb unverwechselbar, sprachmächtig, voller Wortwitz, voller Geschichten, Döntjes, Kalauer, der seine Lesungen auch immer wieder damit unterbrach, ein Großmeister der rhetorischen Abschweifung. Ohne ihn wird es etwas öder werden.
ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.