Kultur

Tragödie eines Grenzgängers

von Die Redaktion · 6. Oktober 2005

Er stammte aus dem Norden, das konnte man an seinem Akzent hören. Doch dass Herr Han, Sohn eines Pfarrers aus Pjöngjang, als der Koreakrieg ausbrach, Professor für Gynäkologie an der dortigen Kim-Il-Sung-Universität war, kommt erst jetzt zu Tage.

Professor Han war einer der Unzähligen, die in diesem Krieg und danach zwischen die Fronten gerieten. Von den Kommunisten zum Tode verurteilt, entkam er per Zufall der Exekution und floh in den Süden. Dort als Spitzel denunziert landete er nach langen Verhören durch den südkoreanischen Geheimdienst im Gefängnis.

Hwang Sok-yongs Roman von 1972 machte den damals 30-jährigen Autor über Nacht zu einem der bedeutendsten Autoren der koreanischen Gegenwartsliteratur. Er selbst war nach dem Aufstand von Kwangju gegen die Militärdiktatur Anfang der 80er Jahre im Gefängnis. 1989 setzte er sich über das südkoreanische "Gesetz zur nationalen Sicherung" hinweg und besuchte die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang. Bei seiner Rückkehr nach Südkorea zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, kam er erst 1998 mit dem Sieg der Demokratiebewegung unter Kim Dae-jung frei.

Im Rahmen der an Willy Brandts Ostpolitik orientierten "Sonnenscheinpolitik" Kims wurde Hwang Sok-yong nun offiziell als südkoreanischer Kulturvertreter nach Nordkorea geschickt. Die Tragödie seines geteilten Landes ist selten so dicht und ergreifend erzählt worden wie in diesem Roman.

Rolf Hosfeld

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