Marina Litwinenko und Alex Goldfarb gehen in ihrem Buch gemeinsam der Frage nach, warum "Sascha" wirklich sterben musste. Insbesondere werden die politischen Hintergründe beleuchtet, die nach
Auffassung der Autoren zur Ermordung Litwinenkos führten.
Das politische und wirtschaftliche System Russlands wirkt nach außen demokratisch, ist jedoch nach innen korrupt und undurchsichtig. In dieser Atmosphäre tragen einzelne Interessensgruppen
ihre Machtkämpfe aus. Erpressung und Mord gehören zu den gängigsten Mitteln, um den eigenen Einflussbereich zu stärken und auszubauen. Alexander Litwinenko ist ein weiteres Opfer, das zwischen die
Fronten dieser konkurrierenden Gruppen geraten ist.
Kritik aus dem Exil
Nachdem Litwinenko selbst Repressalien im eigenen Land zu befürchten hatte, lebte er seit dem Jahr 2000 mit Frau und Kind im britischen Exil. Von dort erhob er zahlreiche Anschuldigungen
gegen den Kremlchef und den FSB, der Nachfolgeorganisation des KGB. Unter anderem veröffentlichte Litwinenko 2002 zusammen mit einem befreundeten Historiker ein Buch über die Sprengstoffanschläge
im Jahr 1999 auf Moskauer Wohnhäuser. Darin behaupten die Autoren, die Anschläge seien nicht von tschetschenischen Terroristen verübt worden, sondern das Ganze sei eine Aktion des FSB gewesen, um
einen weiteren Anlass zum Auftakt des zweiten Tschetschenienkrieges präsentieren zu können. Ähnliche Vorwürfe gegen den russischen Geheimdienst äußerte Litwinenko auch im Zusammenhang mit der
Geiselnahme in einem Moskauer Theater im Jahr 2002.
Die Macht des FSB
Litwinenkos Werdegang tritt an manchen Stellen fast in den Hintergrund, wenn es darum geht, die Macht des russischen Geheimdienstes und seine Verstrickungen mit Politik und Wirtschaft zu
schildern. Angefangen von der Präsidentschaft Boris Jelzins bis heute versucht das Buch zu seinem Tod einen Überblick über die mutmaßlichen Aktionen des FSB zu bieten.
Was sich anhört wie eine Verschwörungstheorie, wird hier zur bitteren Realität. Ansätze der Aufarbeitung oder Kritik können sehr gefährlich werden. Eines der jüngsten Beispiele ist der Mord
an der Journalistin Anna Politkovskaja - der auch der letzte Fall war, mit dem sich Litwinenko vor seinem Tod noch beschäftigt haben soll.
Verräter und Dissident
Litwinenko arbeitete ungefähr seit 1988 als loyaler Agent für den Geheimdienst. Das Blatt wendete sich abrupt, als er den Geschäftsmann Boris Beresowski 1998 vor einem Anschlag des FSB warnte
und auf einer Pressekonferenz die Führungsspitze des FSB der Anstiftung zum Mord beschuldigte. Dieser Schritt machte Litwinenko mit einem mal zum Verräter an der "Firma".
Goldfarb, selbst russischer Dissident, der in den USA lebt, bekennt im Vorwort, kein neutraler Beobachter zu sein. Seine "Version" der Geschichte ist die "Wahrheit", so wie sie Alexander
Liwinenko gesehen hat.
Das Buch "Tod eines Dissidenten" überzeugt durch seine vielfachen Querverbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Geheimdienst. Auch die eingeschobenen Passagen zum Tschetschenienkrieg
runden den Band zu einer sehr interessanten Dokumentation ab.
Edda Neumann
Alex Goldfarb, Marina Litwinenko: Tod eines Dissidenten. Warum Alexander Litwinenko sterben musste, Hoffmann und Campe, 2007, 19,95 Euro, 427 Seiten, ISBN 13-978-3455500455
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