Kultur

Time is money – und Gier ist Leben?

von Dagmar Günther · 14. März 2007

Enron stieg Anfang der 1990er Jahre zu einem der bedeutendsten Energiekonzerne mit weltweit 85 000 Mitarbeitern auf. Die Manager verfügten für sich und alle Angestellten vollkommen absurde Gehälter und wurden zu gern gesehenen und umschmeichelten Gästen auf den Etagen der Wirtschaft und der High Society.

Da die Gewinnprognosen des Enron - Konzerns jedoch zunehmend nicht erreicht werden konnten, sorgte man mit "kreativer Buchhaltung" für enorm gute Bilanzen und stand so als strahlendes Unternehmen vor den Aktionären, Politikern und Banken da. Alsbald begnügte man sich in den Führungsetagen nicht mehr mit seinem ursprünglichen Geschäft, den Öl - Pipelines, sondern stieg in Branchen wie Wasser, Gas und Internet ein.

Dies waren zwar Bereiche, von denen bei Enron niemand eine Ahnung hatte, aber Hauptsache, der Konzern konnte enorme Investitionen und Gewinne vorweisen.

Mit "kreativer Buchhaltung" trotzdem zum Erfolg

Dabei kamen man in der Buchhaltung auf die Idee, die Gewinne, die für einen Vertrag mit der Laufzeit von 20 Jahren ausgelegt waren, einfach komplett für das laufende Jahr zu verbuchen, obgleich das Geld real gar nicht zur Verfügung stand. Diese Methode der "Markt

to- Market" - Buchhaltung war für das Energiegeschäft vollkommen unüblich, die Genehmigung hierfür seitens der Börsenaufsicht ein absolutes Novum.

Dank dieser Methode war es nun aber möglich, die Bilanzen derart zu verschönern, dass die Enron - Aktie rasant an Wert gewann - die anfallenden Verluste wurden in den Geschäftsberichten einfach nicht ausgewiesen oder eigens dafür gegründeten Tochter

- Gesellschaften zugeschanzt.

Und der Markt tut sein Übriges…

Mit dem Gewinn der Aktie und der Vergrößerung des

Konzerns stiegen natürlich auch die Gewinnerwartungen der Wall Street immer mehr in die Höhe, der Teufelskreis rotierte immer schneller, bis Enron schließlich mit rund einer Milliarde Dollar an vorher nicht bekannt gegebenen Verlusten zusammenbrach.

Der Skandal dieses plötzlichen Zusammenbruches sorgte in den USA für einen Schock und während Manager und leitende Angestellte von Enron sich den Fragen der Staatsanwälte stellen mussten, versuchten Politiker wie Bush sen. unbeschadet aus der Sache heraus zu kommen. Über 30 000 Menschen verloren in den USA ihren Job, zig Anleger große Teile ihres Vermögens, das Gefühl des "anything goes" war endgültig begraben.

Die Rechnung bleibt nicht aus

Die Prozesse gegen die Verantwortlichen bei Enron laufen noch, der Chef Keneth Lay starb inzwischen, nachdem er so spektakulär alles verloren hatte, an einem Herzinfarkt, kurz bevor sein Urteil verkündet worden wäre.

Anderen drohen Gefängnisstrafen von bis zu 300 Jahren. Die Manager von Enron und die zuständigen Wirtschaftsprüfer entwickelten eine unglaubliche kriminelle Energie, sie bereicherten sich an Firmengeldern in Millionenhöhe und sorgten mit ihrem Einfluss dafür, dass unliebsame Wirtschaftsanwälte oder Buchhalter, die es wagten Bedenken zu äußern, ihren Job verloren.

Das mehr als 800 Seiten starke Buch erinnert in seinem Stil an einen Grisham - Thriller und ist deshalb trotz der Fülle von Details und Fakten sehr gut lesbar.

Mit welchen Netzwerken Wirtschaftsunternehmen wie Enron Tausende von Menschen prellen konnten, mit welcher Chuzpe vollkommen inkompetente Leute ihren Job behielten und dem Konzern schadeten und wie viele junge, gut ausgebildete Leute sich durch überzogene Gehälter soweit korrumpieren ließen, dass sie selbst strafbaren Handlungen zustimmten, ist auf jeden Fall erschreckend zu lesen.

Auch wenn Eichwald manchmal etwas übertreibt, in dem er Gefühle beschreibt, die er allenfalls als Beschreibung aus zweiter Hand haben kann, muss man seine minutiöse Recherchearbeit honorieren - schließlich sollte das Buch ja auch ein Roman werden und kein trockenes Tatsachenprotokoll.

Maxi Hoenigschmid

Kurt Eichenwald: Verschwörung der Narren. Eine wahre

Geschichte; C. Bertelsmann Verlag München; 848 Seiten; 24, 95 €; ISBN 10: 3-570-00910-6

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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