In dem Eröffnungsreferat unterstrich Wolfgang Thierse, Bundestagsvizepräsident und Mitglied im SPD-Vorstand, die besondere Verantwortung der Journalisten. Sie dürfen in der Gesellschaft
vorhandene Vorurteile nicht verstärken, so Thierse. Gerade die Medien sind in der Lage, Bilder und damit auch Klischees zu vermitteln. Und: Nach wie vor seien in Deutschland Ausländerfeindlichkeit
und Antisemitismus in Teilen der Bevölkerung verbreitet. Daher sei ein verantwortungsbewußter Journalismus notwendig.
Verschleierung durch Wir-Gefühl
Rainer Riehle vom Berliner Institut für internationale Sozialforschung stellte seine Untersuchung zur Berichterstattung der Boulevardzeitung BILD während der Fußball-WM vor. Er führte aus,
dass die durch die BILD-Zeitung vermittelte Aufbruchstimmung ein kollektives Selbstbewußtsein entstehen ließ. Soziale und ökonomische Unterschiede sowie die deutsche Vergangenheit wurden kaschiert
in der Losung "Wir sind Deutschland". Zukunftsprobleme hatten beim "Fest WM" keinen Platz, auch Ängste vieler Menschen vor Globalisierung und ihren Folgen schienen plötzlich unnötig. Vielmehr schuf
dieses entwickelte Wir-Gefühl der Deutschen Sicherheit und weckte Hoffnungen auf die deutsche Kraft im globalen Wettbewerb, so Riehle.
Differenzierung zwischen "Wir" und den "Anderen"
Der "Party-Patriotismus" in der BILD gab dem "Wir" einen höheren Rang. Gleichzeitig wurden die "Anderen" durch Polarisierungen, Emotionalisierungen und Auslassungen in der Berichterstattung
als negativ abgestempelt und ausgegrenzt. Die "Anderen" wurde zu "Miesmachern", "Tricksern" und "Leistungsverweigern". Die Folge: Die Differenzierung zwischen dem "Wir" und den "Anderen" bewirkte
ein unterschwelliges Gefühl der Bedrohung.
Einteilung in "Gute" und "Schlechte"
Ein weiteres Merkmal latenter Fremdenfeindlichkeit während der Weltmeisterschaft war nach Ansicht Riehles, dass die Nützlichkeit und Anpassung der Migranten gefordert wurde. Darüber hinaus
wurden die Fremden in "gute" und "schlechte" eingeteilt. Spieler mit ausländischen Hintergrund waren "Gute", wenn sie für Deutschland erfolgreich waren. Das galt auch für Migranten. Die Gefahr
besteht, so Riehle resümierend, dass so Integration behindert und Ausgrenzung verschärft wird.
Interkultureller Dialog
In der anschließenden Diskussion machte Badr Mohammend, Generalsekretär des Europäischen Integrationszentrums, deutlich, dass allein die WM, bei der sich seiner Auffassung nach Deutschland
zwar durchaus als weltoffenes Land präsentierte, nicht ausreichen wird, um eine Integration zu fördern. Mohammes: "Die WM war eher eine Showveranstaltung, die keine neue deutsche Gesellschaft
entstehen ließ". Er verwies in diesem Zusammenhang auf die fremdenfeindliche Übergriffe in vielen Städten und Dörfern, die gleich nach Ende der WM wieder zu verzeichnen waren.
Eine bedeutende Rolle spielt der interkultureller Dialog auch innerhalb der Medien, so Mohammed. Nur durch diesen kann die verdeckte Ausgrenzung von Migranten in Deutschland beseitigt werden.
Stefan Campen
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