Wenn vor Gott alle gleich sind, dann sind sie es vor der Kultur auch", sagt die Unternehmerin Angela Meyenburg. Und sie würde es, wenn sie sich nicht Zurückhaltung auferlegt hätte, gewiss auch schärfer formulieren: Da die Menschen gleich sind, vor Gott und dem Gesetz, sind sie es vor der Kultur erst recht. Wo denn, wenn nicht in Kultur und Kunst, ist der Raum gegeben, Freiheit, Gleichheit, Mitmenschlichkeit in Spiel und Schein zu erproben?
Die reale Entwicklung lief in den vergangenen zehn Jahren allerdings in die entgegengesetzte Richtung: Die Zahl derer, die sich Kultur selbstverständlich leisten können, wurde allmählich
geringer. Viele waren gezwungen, genauer zu kalkulieren, bei Buchkauf und Konzertbesuch zu sparen. Die kulturtragenden Mittelschichten haben zur gleichen Zeit viel unternommen, um die Grenze nach
unten deutlich zu markieren. Mit den RTL2 schauenden, mit Game Boy glücklichen Familien, in denen nicht vorgelesen wird, mit all den bildungsfernen Schichten wollten sie nichts gemeinsam haben.
Die Abgrenzungsbotschaft ist angekommen.
Idee aus Marburg
Eine befreundete Pressefrau aus Marburg erzählte Meyenburg, dass sie seit Jahren übrig gebliebene Pressekarten an Interessierte verteilt, die einfach zu wenig verdienen, um die Angebote
wahrzunehmen. Eines Tages begann sie, die kleine Umverteilung zu professionalisieren. Angela Meyenburg war von der Idee begeistert, suchte Mitstreiter und gründete die Kulturloge Berlin. Die Idee
klingt schlicht: Das bekannte Tafel-Prinzip wird auf die Kultur übertragen. Eintrittskarten, die nicht mehr verkauft werden können, werden verschenkt. Meyenburg rechnete so: Etwa 500 000
Geringverdiener gibt es in Berlin und 3 000 000 Plätze in Kulturveranstaltungen. Selbst wenn man die wahrscheinlich nicht flächendeckend erreichte Auslastung von 60 Prozent zugrunde legt, bleiben
viele Plätze unbesetzt - und das, obwohl die damit verbundene Steuerersparnis kaum ins Gewicht fällt, leere Plätze aber die Atmosphäre trüben, an Selbstbewusstsein und Legitimation kratzen.
Bereits über 4000 Gäste
So einfach war es dann doch nicht, die Veranstalter zum Mitmachen zu überreden. Die großen Theater und die teuren drei Opernhäuser der Stadt sahen vor
allem Schwierigkeiten mit der Buchhaltung; Kinobetreiber hätten sich gern beteiligt, aber es sind ihnen durch die Verleihfirmen die Hände gebunden. So begann die "Kulturloge" mit
privatwirtschaftlichen Veranstaltern wie dem Grips-Theater, Alba Berlin, den Wühlmäusen oder dem Literaturfestival. Abgewickelt wird das Kulturlogen-Geschäft in menschenfreundlicher
Umständlichkeit: auf Augenhöhe und in möglichst direkter Kommunikation.
Interessenten können sich über Sozialeinrichtungen wie die Berliner Tafel oder Arche registrieren lassen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Loge, fast ausschließlich Frauen, koordinieren
Interessen, Angebot und Platz auf der Warteliste. Sie rufen die Interessenten an, schicken dann den Veranstaltern eine Gästeliste. Die Gäste kommen zu ihren Karten, ohne als Geringverdiener
stigmatisiert zu werden. Mehr als 4000 Gäste wurden inzwischen vermittelt. Weil sie sich eingeladen und willkommen fühlten, entdeckten sie zurückgestellte oder eingeschlafene Ideen neu. Manche
wurden schon als Kaufkartenkunden wieder gesehen. Viele wollen ihre Meinung über das Gesehene äußern, wollen diskutieren, teilnehmen.
Hilfe statt Sonntagsreden
Es gehört zu den Binsenwahrheiten, dass Kultur etwas mit Teilhabe zu tun hat und diese fördert. Ab und an wird man daran erinnert: In Sonntagsreden oder jüngst, als Hilmar - "Kultur für alle" - Hoffmann seinen 85. Geburtstag feierte. Selbst in den sozialdemokratisch regierten Ländern, in der kulturpolitischen Praxis wird dieser Anspruch aus pragmatischen Gründen oder Bequemlichkeit oft vergessen. Er wirkt verstaubt, erinnert an längst vergangene Zeiten. Viel lieber beschwört man inzwischen nach Gerhard Schröders Vorbild die seligmachenden Wirkungen der Betrachtung zeitgenössischer Kunst und wurstelt ansonsten weiter, wie es eben geht.
Aber das Versprechen der Teilhabe durch Bildung und Kultur ist damit nicht erledigt. Die Kulturloge Berlin versucht eine zeitgemäße Interpretation: Sie geht auf die Menschen zu, ohne sie zu
bevormunden; sie nimmt ihre Interessen ernst, ohne sich ihnen anzudienen. Sozialdemokratische Kulturpolitik wird inzwischen gern im Namen der Künstler betrieben. Da hatte man Erfolge, es gibt
gute Gründe, auf diesem Feld weiterzumachen. Aufregend und herausfordernd aber wäre eine Kulturpolitik für die Hörer, Leser, Zuschauer. Dafür könnte man von der Kulturloge viel lernen.
Was fehlt ist Geld
Die Kulturloge finanziert sich mit Spenden, Firmensponsoring und Werbeeinnahmen. Sie benötigt finanzielle Unterstützung, damit
Menschen mit geringem Einkommen an Kulturveranstaltungen teilnehmen können. So ist sie auf jede noch so kleine Spende angewiesen.
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