Kultur

Taxi Teheran: Unterwegs im 
wahren Iran

Einfach mal der Zensur davonfahren: In seinem neuen Film schlägt der mit Berufsverbot belegte Regisseur Jafar Panahi dem iranischen Regime ein humorvolles Schnippchen
von ohne Autor · 24. Juli 2015
Neue Rolle: Regisseur Jafar Panahi unterwegs im urbanen Gewusel
Neue Rolle: Regisseur Jafar Panahi unterwegs im urbanen Gewusel

Tabuthema Kriminalität

Mit fortlaufender Zeit wird allerdings deutlich, dass die Begegnungen im Taxi nicht so spontan sind, wie sie zunächst erscheinen. Durch inszenierte Situationen schafft Panahi Raum für pointierte Ausschnitte aus dem Großstadtdschungel, die voller Verweise auf seine eigene Situation und die anderer kritischer Künstler sind. Obendrein spiegeln sich darin Aspekte wider, die der 55-Jährige bereits in seinen früheren Filmen aufgegriffen hat und dafür in Ungnade fiel – zum Beispiel die grassierende Kriminalität im Gottesstaat. Da ist der kleinwüchsige Filmhändler, der die kinosüchtigen Teheraner mit der neuesten Staffel der US-Serie „The Walking Dead“ und unzähligen anderen verbotenen Streifen versorgt. Oder zwei abergläubische Schwestern, die dringend eine heilige Quelle erreichen müssen, um dort ihren Goldfisch schwimmen zu lassen. Ein Kleinkrimineller und eine Lehrerin kriegen sich über den Sinn und Unsinn der Todesstrafe in die Wolle. Eine Anwältin erzählt von einer jungen Frau, die inhaftiert wurde, weil sie ein verbotenes Volleyballspiel besucht hat und nun im Hungerstreik ist. Sie alle stehen für alltägliche Lebenswelten, die die offizielle Propaganda entweder bekämpft oder unterdrückt.

Am nachhaltigsten gerät  allerdings das Treffen mit seiner Nichte. Von ihrer Lehrerin wurde sie beauftragt, einen Kurzfilm zu drehen, natürlich nach jenen strengen ästhetischen und inhaltlichen Vorgaben, die Panahis Arbeiten diametral entgegenlaufen. Zum Beispiel: Zeige niemals die weniger schönen Seiten der Realität! Kaum eingestiegen, macht sie sich mit ihrer Digitalkamera ans Werk. Der Dialog zwischen den beiden über das Filmemachen berührt immer wieder Panahis eigene Situation als verfolgter Künstler, obendrein aber auch die Frage, was Kino – unabhängig von der Lage im Iran – leisten kann oder muss. Was durchaus für eine melancholische Schlagseite sorgt. Bis sich dem Mädchen die Gelegenheit bietet, ihre schulischen Vorgaben in die Tat umzusetzen.

Scheinbares Idyll

Dass „Taxi Teheran“ im Iran gedreht und im Ausland gezeigt wird, ist ein ironischer und alles andere als verbittert anmutender Kommentar auf politische Verhältnisse, die nicht nur Panahis Existenz bedrohen. Dass er die 2010 verhängte sechsjährige Haftstrafe bislang nicht antreten musste, dürfte wohl auch daran liegen, dass er auch außerhalb des Irans zu prominent geworden ist. Nicht zuletzt, nachdem ihm 2011 die Reise zur Berlinale verweigert wurde, wo er als Jury-Mitglied gesetzt war. Und doch: Von moralischer Überlegenheit oder Polemik zeigt dieser Film keine Spur. Kurz vor Schluss wird Panahi ohnehin brutal vor Augen geführt, wie gefährdet sein scheinbares Taxi-Idyll ist.


Info: Taxi Teheran (Iran 2015), ein Film von Jafar Panahi, mit Jafar Panahi, Hana Seidi u.a., 81 Minuten, OmU. Ab sofort im Kino
 

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