Kultur

Szenen einer Terroristen-Ehe

von ohne Autor · 27. September 2013

Was verleitet jemanden, sich mit dem prominentesten Terroristen der Welt einzulassen? Der Dokumentarfilm „In The Darkroom“ beschreibt den Lebensweg der Ex-Frau von Carlos, dem Schakal, und die Mühen, mit den Bürden der Vergangenheit aufzuräumen.

Waren es die emphatischen Vorträge über den Kampf für eine gerechte Sache? Oder zeitigte das Charisma eines zu allem Entschlossenen seine Wirkung? Auch nach mehr als 30 Jahren kann sich Magdalena Kopp nicht so recht erklären, warum sie sich als junge Frau in Ilich Ramirez Sanchez alias Carlos verliebte. Immerhin scheint die allererste Begegnung in einer Londoner Dunkelkammer Ende der 70er-Jahre nicht allzu erfreulich gewesen zu sein. Die Zudringlichkeiten des venezolanischen Topterroristen, der  1994 vom Sudan an Frankreich ausgeliefert und wenige Jahre später zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, lassen sie noch heute schaudern. 

Es ist jene Frau, die mit Carlos in den Untergrund ging und mit ihm und der gemeinsamen Tochter Rosa jahrelang unter dem Schutz des syrischen Regimes in Damaskus lebte. Als sie Anfang der 80er-Jahre in Paris verhaftetet wurde, überzog Carlos, der seit der Entführung und Ermordung mehrerer Erdölminister der OPEC-Staaten zu zweifelhaftem Ruhm gelangt war, die französische Hauptstadt mit einer Serie von Bombenanschlägen, um Kopp und weitere Gesinnungsgenossen freizupressen.

Gescheiterter Lebensentwurf

Die ist nunmehr sichtlich bemüht, mit Distanz von jener Zeit berichten, als sie mit einem Mann durch die Welt geisterte, der sich von pro-palästinensischen oder sonst welchen Auftraggebern bezahlen ließ, um Attentate zu verüben oder Flugzeuge zu entführen. Jener Mann, der den Tod von Unbeteiligten in Kauf nahm und von Teilen der linken Studentenbewegung als Ikone der Revolution gefeiert wurde. So erzählt der Film des israelischen Regisseurs Nadav Schirman auch davon, wie ein Teil der politisierten Jugend in der Bundesrepublik sich auf einen gefährlichen Irrweg begab. Als die „Organisation Carlos“ auch unter den Freunden von Kopp Fuß fasste, war der bewaffnete Kampf der RAF und der Revolutionären Zellen, denen sich die gelernte Fotografin in Frankfurt am Main angeschlossen hatte, längst Realität. Insofern legen Kopp und Weggefährten wie der Ex-Terrorist Hans-Joachim Klein auch vom Scheitern eines Lebensentwurfs Zeugnis ab.

Bis dorthin war es ein langer und beschwerlicher Weg. Vor einiger Zeit verarbeitete Kopp ihre 13 Jahre an der Seite von Carlos in einem Buch. In einigen Szenen des Films ist zu sehen, wie sie in der Dunkelkammer erstmals Fotos von damals entwickelt. Offenbar war die Furcht, sich der Realität, die daraus spricht, zu stellen, vorher zu groß gewesen. Jene Aufarbeitung, das verrät ein Blick in ihr Gesicht, wird noch lange nicht abgeschlossen sein.

Mittlerweile lebt die 65-Jährige wieder in ihrer Geburtsstadt Neu-Ulm. Aus der Konfrontation mit jener Welt, die Kopp als junge Frau zu eng geworden war und die sie in die Frankfurter Sponti-Szene flüchten ließ, gewinnt der etwas schwerfällig inszenierte Film eine wohltuende Dynamik, wenn nicht gar Komik. Vor allem dann, wenn Kopps Schwester in einer Mischung aus Lakonie und Unglauben deren revolutionäre Umtriebe und ihr Verhältnis zu Carlos betrachtet.

Trailer

Monolog hinter Gittern

Besonders bewegend sind jene Sequenzen, in denen Rosa Kopp im Mittelpunkt steht. Anfang der 90er-Jahre, kurz vor der Ausreise nach Venezuela, hatte sie ihren Vater zum letzten Mal gesehen. Der sitzt immer noch in einem französischen Hochsicherheitsgefängnis und musste sich 2011 erneut vor Gericht verantworten. Jener Prozess war für Mutter und Tochter der Anlass, sich Carlos jenseits des Mythos zu nähern. Rosa Kopp reiste in den Knast nahe Paris, um jenen Menschen zu treffen, der auch auf ihr Leben einen beträchtlichen Schatten wirft. Die Kamera musste draußen bleiben, dafür erleben wir Rosa unmittelbar vor und nach der Visite hinter Gittern. Hatte sie vorher zugegeben, die Gewaltakte ihres Vaters zumindest teilweise mit hehren Idealen zu verbinden, ist sie  im Nachgang fassungslos darüber, dass das Wiedersehen sich auf einen Monolog des einstigen Paten des internationalen Terrorismus beschränkte, der sich seiner Einsicht in das Wesen der Dinge brüstete. 

Nicht weniger ratlos äußert ihre Mutter die Vermutung, der inhaftierte Carlos sei in seinem Denken freier als sie selbst, die doch in Freiheit lebt. Mag „In The Darkroom“ ein tiefgründiges Bild des Alltagsmenschen Carlos schuldig bleiben: Umso erschütternder tritt vor Augen, welchen Trümmerberg die Selbstsucht und Verblendung sogenannter Ikonen in deren engstem Umfeld hinterlassen.

Info:

In The Darkroom (Deutschland/ Israel/ Finnland u.a. 2012), ein Film von Nadav Schirman, mit Magdalena Kopp, Rosa Kopp, Hans-Joachim Klein u.a., 90 Minuten


Ab sofort im Kino

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