Stephan Kosch beginnt sein Buch mit einer kurzen Geschichte über die "weißen Kristalle", die schließlich nicht mehr "stark und glücklich, sondern schlapp, dick und träge" machen. Schlapp, dick und träge war wohl auch die europäische Zuckermarktordnung, über deren Reform nach langem Ringen im letzten November Einigkeit erzielt wurde. Vor allem war die alte Marktordnung kompliziert. Da lag es nahe, dass jene, die die alte Zuckermarktordnung dennoch stark und glücklich gemacht hat, sich nur schwer von ihr trennen wollten. Kam ihnen die Komplexität nicht ganz gelegen beim Geschäft mit den nicht nur süßen, sondern auch teuren Kristallen?

Stephan Kosch versucht in seinem Buch, diese Hintergründe transparent zu machen. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise um die Welt, vom Rübenacker über die Zuckerrohrplantagen von Brasilien und Mauritius, ins afrikanische Malawi und schließlich zurück in die Ethanolfabrik in Deutschland. Er versucht, den europäischen Zuckermarkt aus der Sicht der vielen Akteure zu erklären.

Kosch vermittelt einen Eindruck der vielschichtigen, mit dem Zuckermarkt verbundenen Interessen. Beinahe zwangsläufig entsteht so aber auch ein vereinfachtes Bild dieses globalen Marktes. Auch der Blick auf die Perspektiven für die Zucker produzierenden Entwicklungsländer bleibt oberflächlich. Einige Fragen werden nicht beantwortet oder gar nicht gestellt: Was z.B. ist mit den satten Gewinnen der Zuckerindustrie in den vom Zuckerprotokoll profitierenden Entwicklungsländern geschehen? Warum steht die mauritische Zuckerindustrie zu Hause vor dem Aus, während sie zugleich munter in Mosambik investiert?

Das Zuckerprotokoll hat seine entwicklungspolitischen Ziele - so man denn unterstellt, dass es je diesen Zielen hätte dienen sollen - verfehlt. Ohne Zweifel haben die künstlich hohen Preise die AKP-Staaten* in eine ungute Abhängigkeit vom Zuckerexport geführt. Die EU wird ihre Partnerländer bei der Bewältigung dieser Folgen unterstützen: von 2007 bis 2013 mit mehr als 1,2 Milliarden Euro. Bedauerlicherweise wird dieses Geld nicht aus dem Agrartopf der Union kommen. Das Geld ist nicht als Kompensation für den Zuckersektor gedacht; es soll der gesamten Wirtschaftsentwicklung der betroffenen Länder und damit ihrer Bevölkerung zugute kommen.

Erfreulich, dass Kosch auch eine der wirklichen Chancen der Zuckermarktreform anspricht: Die Produktion von Bioethanol nämlich. Sie ist mehr als ein Ersatz für den entgangenen Gewinn aus dem Zuckerexport und eröffnet den AKP-Staaten die Möglichkeit, Devisen beim Erdölimport zu sparen. Auf die Risiken geht Kosch ausführlich und zu Recht ein. Schön wäre es gewesen, hätte er auch die Potenziale weitergedacht: Warum sollte nur Südzucker Rübensprit in Ungarn produzieren? Fördern wir doch weiter die Süd-Süd-Kooperation und bringen brasilianische Technologie nach Mosambik!

*AKP-Staaten sind Staaten in Afrika, der Karibik und der Pazifikregion, die mit der EU ein Abkommen über Entwicklungszusammenarbeit abgeschlossen haben.

Stephan Kosch: Zoff um Zucker,

Parthas Verlag, Berlin 2006, 256 Seiten, 19,80 Euro, ISBN 978-3-86601-431-2

Autor*in
Heidemarie Wieczorek-Zeul

war von 1974 bis 1977 die erste weibliche Bundesvorsitzende der Jusos und von 1998 bis 2009 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie ist Mitglied im Vorstand des Willy-Brandt-Kreises.

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