Kultur

Stefan Heym in den Wirren der Zeit

von Dorle Gelbhaar · 21. Mai 2013

Am 10. April wäre Stefan Heym 100 Jahre alt geworden. Prominente aus Politik und Kultur würdigen die Lebensleistung des deutsch-jüdischen Schriftstellers, der als amerikanischer Offizier im Zweiten Weltkrieg kämpfte, in dem Sammelband „Ich habe mich immer eingemischt“.

Die Literaturwissenschaftlerin Theresa Hörnigk hat zum 100.Geburtstag des 2001 in Israel verstorbenen Schriftstellers Stefan Heym einen Sammelband herausgebracht. 57 Prominente – unter ihnen Ur Avnery, Egon Bahr, Hans-Otto Bräutigam, Annekathrin Bürger, Daniela Dahn, Gunnar Decker, Fritz Pleitgen, Nuria Quevedo, Armin Müller-Stahl, Gerhard Schröder, Klaus Staeck, Dirk Sager oder Christoph Hein – erzählen von Stefan Heym.  

Vom Schüler Helmut Flieg

Heym wird 1913 als Helmut Flieg in Chemnitz geboren. Wie im Buch zu erfahren ist, verärgerte er schon als Gymnasiast die Obrigkeit. Wegen eines in der sozialdemokratischen „Volksstimme“ veröffentlichten Spottgedichts („Exportgeschäft“) über den deutschen Militärexport 1931 wurde er des Gymnasiums verwiesen. Helmut Flieg absolvierte sein Abitur deshalb in Berlin und studierte dort Philosophie, Germanistik und Zeitungswissenschaften. Das Studium musste er zunächst abbrechen, als er 1933 nach Prag und weiter in die USA floh, um seiner Verhaftung zu entgehen.

In den USA schloss er sein Studium schließlich mit einer Arbeit über Heinrich Heine ab und schrieb zum Schutz seiner Angehörigen in Deutschland ausschließlich unter dem Pseudonym Stefan Heym. Seine ersten Romane verfasste er in englischer Sprache. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er amerikanischer Offizier und war bei der Landung in der Normandie dabei. Die amerikanische Staatsbürgerschaft und den „Bronze Star“, den militärischen Verdienstorden, gab er allerdings 1953 als Protest gegen den Korakrieg und die Intellektuellenverfolgung  unter Mc Carthy zurück.  

Heimatloser Deutscher

Heym verließ die USA und ging zurück nach Deutschland, in die DDR. Von da an publizierte er in englischer und deutscher Sprache. Vom Glauben an einen demokratischen Sozialismus wollte er im realen Sozialismus der DDR nicht lassen. Ab 1972 veröffentlichte er in der DDR angesiedelte Romane, etwa „5 Tage im Juni“ , zuerst im Westen. Wegen Devisenvergehens musste er eine Geldbuße leisten und wurde mit dem Ausschluss aus dem Schriftstellerverband gemaßregelt. Es waren wohl seine antifaschistische Vergangenheit und seine internationale Bekanntheit, die Heym vor massiverem Vorgehen seitens der Staatsführung schützten.

1989 stand Heym mit auf der Tribüne am Berliner Alexanderplatz und forderte die grundlegende Erneuerung des Sozialismus. Bei seiner Rede als Alterspräsident des Deutschen Bundestages 1994 – er hielt als Parteiloser in Berlin-Prenzlauer Berg für die PdS ein Direktmandat für den Bundestag – zollte ihm aus der Gruppe der CDU-CSU-Bundestagsabgeordneten einzig die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth Respekt. Die Kritik daran ist in mehreren Beiträgen des vorliegenden Buches zu lesen.

Hans-Otto Bräutigam, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR von 1982 bis 1989,  nennt das „beschämend“. Die Schauspielerin Anne-Kathrin Bürger spricht davon, dass eine gesamtdeutsche Regierung einen großen deutschen Dichter beleidigt und verächtlich gemacht habe. Wut und Scham empfinde sie darüber. Egon Bahr schreibt Heyms Werk habe den ihm gebührenden Platz noch nicht gefunden. Er leitet dies allerdings aus der Verankerung des Autors in der „Tradition der amerikanischen Short Story“ statt der „europäischen Epik“ ab.

Therese Hörnigk stellte das von ihr herausgegebene Buch auf einer Veranstaltung des Berliner Schriftstellerverbandes (VS in der ver.di) am 8. April im Berliner Brecht-Haus vor. Es wurde auch aus seinen Werken „Immer sind die Weiber weg“ und „Ahasver“ gelesen. Sich auf den Heymschen Hintersinn einzulassen, ist ein hohes Lesevergnügen. Seine Texte sind reich an jiddischem Witz und an tiefgründiger Betrachtung. Schreiben sei harte Arbeit, die ihren Lohn verdiene, hatte Heym einst dem damaligen Mitarbeiter des DDR-Verlages Volk und Wissen Werner Hecht erklärt. Das Buch über Heym macht auf die Bücher von ihm neugierig.

Stefan Heym: „Ich habe mich immer eingemischt, Erinnerungen an Stefan Heym“, hrsg. von Therese Hörnigk, vbb Verlag für Berlin und Brandenburg, Berlin 2013, 174 Seiten, 18,95 Euro, ISBN 978-3-942476-56-0

Autor*in
Dorle Gelbhaar

ist freie Autorin, Vorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftsteller im ver.di-Landesverband Berlin sowie stellvertretende Vorsitzende des Kulturwerks Berliner Schriftsteller e. V.

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