Washington entstammte der Oberschicht der Kolonie Virginia und erbte großen Landbesitz, inklusive 49 Sklaven. Er absolvierte nur die Grundschule; formale Bildung interessierte ihn weniger.
Washington lernte in der Praxis. Raue Lebensbedingungen formten den ehrgeizigen Jüngling, mehr noch der "French and Indian War" (1756-1763). In diesem Konflikt befehligte er amerikanische
Milizen gegen die Franzosen.
Obgleich Washington das Soldatenleben schätzte, war er kein großer Stratege. Es gelang ihm aber, die Indianer als Verbündete zu gewinnen. Der Offizier ohne Patent versprach ihnen, Land
wiederzugeben, sofern sie die Angloamerikaner unterstützten. Seine skrupellose Lüge sicherte den Erfolg.
Nach Kriegsende avancierte Washington mittels Heirat in die höchsten Kreise der "Pflanzer-Elite". Unablässig vergrößerte er seinen Grundbesitz. Schließlich gehörten ihm etwa 300 afrikanische
Sklaven, die er wie "Vieh" gehalten habe, das er unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtete. Erst testamentarisch verfügte Washington deren Freilassung
Bald kämpften die Kolonisten gegen englische Herrschaftsansprüche. Das britische Parlament führte direkte Steuern ein und wollte die Landnahme stoppen, um indianische Völker zu schützen.
Washington hielt dies für einen schlechten "Witz" und glaubte, dass die Ureinwohner den Daseinskampf "verlieren würden, nicht weil sie im Unrecht waren, sondern weil sie unterlegen waren".
1763 gründete der agile Pflanzer eine Gesellschaft, die es ermöglichen sollte, westliche Territorien zu besiedeln.
Nicht abstrakte Freiheitsideale standen an der Wiege amerikanischer Unabhängigkeit. Harte und sehr konkrete Interessen gaben die Richtung vor. Washington bezichtigte Großbritannien der
"Verschwörung gegen die amerikanische Freiheit". Ellis sieht darin die "Heuchelei" eines "Sklavenhalters". Krieg war unvermeidlich.
Washington übernahm das Oberkommando der amerikanischen Armee. Schon zu Lebzeiten wurde er heroisiert, weil man einen "Mythos" benötigt habe, der die disparaten Einzelstaaten vereinigte.
"Seine Exzellenz" Washington genoss, schreibt Ellis, den Status eines Pseudomonarchen. Jeden anderen hätte man tyrannischer Neigungen verdächtigt, aber Washington sei politisch uneigennützig
gewesen.
Eben dies, vermutet Ellis wohl zu Recht, stellte seine wichtigste historische Bedeutung dar, die dazu beitrug, dass die amerikanischen Kolonien ihren Partikularismus überwanden.
Washington erlag nicht der Versuchung, Cromwell oder Napoleon zu folgen. Wie einst der Römer Cincinnatus kehrte er 1783 quasi an den Pflug zurück. Ellis erkennt darin Washingtons größte Tat.
Erst damit habe er sich für das Präsidentenamt qualifiziert.
Woher stammt diese scheinbare Selbstlosigkeit? Widerspricht sie nicht Washingtons gren¬zenlosem "Hunger nach Land", zu schweigen von Sklaverei und Indianerkriegen? Ellis nimmt eine
"biologische Konditionierung" des Charakters an. Diese These ist unhistorisch und naiv.
Washington, ein sehr reicher Mann, bejahte, wie Ellis selbst feststellt, soziale Privilegien und erstrebte eine politische, keine soziale Revolution. Unter "Freiheit" verstand er primär
individuell-wirtschaftliche Entfaltung.
Diese Tatsache macht eher plausibel, dass Sklavenhalter Menschenrechte formulierten und staatlicher Autorität misstrauten.
Dennoch darf man Washington nicht als Anarchisten interpretieren. Ihn kennzeichnete ein "erbarmungslos realistisches Beharren darauf, dass Ideale per se niemals seine Zielsetzungen
beherrschen durften"
Eben deshalb, so wird man Ellis ergänzen können, gewann er im Unabhängigkeitskrieg das absolutistische Frankreich als Bündnispartner. Vor allem sah der Realist im Staat eine Notwendigkeit.
Der Staat sollte einerseits soziale Privilegien sichern, also große Freiräume bieten, andererseits Chaos und außenpolitische Schwäche verhindern. Während seiner Präsidentschaft (1789-1797)
kräftigte Washington die Bundesgewalt.
Rolf Helfert
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