Kultur

Sein Vater, der Bundeskanzler

von Birgit Güll · 12. Oktober 2013

„Man gewöhnt sich daran, dass der alte Herr ständig auf Bildschirmen und in Zeitungen zu sehen ist“, erklärt Peter Brandt am „vorwärts“-Stand auf der Frankfurter Buchmesse. Der älteste Sohn Willy Brandts hat ein Buch über seinen Vater geschrieben: „Mit anderen Augen“ heißt es. Mit der Journalistin Franziska Augstein hat er darüber diskutiert

„Versuch über den Privatmann und Politiker Willy Brandt“: so lautet der Untertitel von Peter Brandts Buch. Denn es sei keine umfassende Biografie, kein Bericht über alle Lebensstationen. Für die wäre er nicht der Richtige gewesen, erklärt der Historiker Brandt. Als Sohn sei er dafür zu nahe. Das Buch sei vielmehr eine Reflexion über seinen Vater.

Alle für Willy Brandt

Als kleiner Junge war die Welt für Peter Brandt einfach: „Es gab niemanden, der nicht für Willy Brandt ist“. Dieses Kindheitsgefühl habe sich mit dem Älterwerden verändert. Plötzlich habe er die Anfeindungen mitbekommen, mit denen sein Vater konfrontiert war. Willy Brandt, der aus dem Exil nach Deutschland zurückgekehrt war, war das Ziel heftiger Attacken.

Ob Willy Brandt zu Hause getobt habe, seiner Wut über die schmutzigen Angriffe Luft gemacht habe, möchte Franziska Augstein wissen. Nein, hat er nicht: Peter Brandt erinnert sich nur daran, dass dem Vater stattdessen mitunter bei völlig belanglosen Alltagärgernissen der Kragen geplatzt sei.

Der Vater wird Staatsmann

Peter Brandt beschreibt die Nähe zu dem Vater – und die Distanz. Als er 18 ist, wird Willy Brandt Außenminister. Den Umzug der Familie nach Bonn macht der älteste Sohn nicht mit. „Eigentlich sind die weggegangen“, erklärt er. Ihm fehlte nur noch ein Jahr zum Abitur, so blieb er in Berlin. Der Vater wurde mehr und mehr zum Staatsmann.

Der wiederum vertrat Ansichten, die Franziska Augstein überrascht haben. Links seien die nicht gewesen, sagt sie und zitiert Passagen aus dem Buch. „Könnte aus dem CDU-Programm sein“, sagt sie. Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze etwa – Fehlanzeige. Sein Vater habe viel Verständnis für die Menschen in Deutschland gehabt, sagt Peter Brandt. Und hat eine einfache Erklärung: Willy Brandt wollte Wahlen gewinnen. Er musste die „normalen Deutschen“ der Nachkriegszeit für sich gewinnen. Dazu gehörten die früheren Mitläufer des NS-Systems.

Heute hat Peter Brandt Verständnis für seinen Vater. Als er jung war, ist das nicht immer so gewesen. In seinem Buch beschreibt er das besondere und nicht immer einfache Verhältnis zu seinem Vater, dem berühmten Willy Brandt.

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Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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