Kultur

Schröder-Biografie: Ein Kanzler-Leben auf 1000 Seiten

Vor zehn Jahren hat sie ihn aus dem Kanzleramt verdrängt. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel entspannt. Das wurde bei der Vorstellung von Schröders Biografie am Dienstag in Berlin deutlich.
von Kai Doering · 22. September 2015
Schröder-Biografie
Schröder-Biografie

Gemeinsame Auftritte von Gerhard Schröder und Angela Merkel sind selten. Medienwirksam gemeinsam wahrgenommen wurden sie zuletzt vor gut fünf Jahren. Damals stand Angela Merkel am Anfang ihrer zweiten Amtszeit als Bundeskanzlerin und stellte gemeinsam mit ihrem Vorgänger dessen Porträt für die Galerie im Kanzleramt vor.

Nur ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt im Haus der Bundespressekonferenz traten der Altkanzler und seine Nachfolgerin am Dienstag vor die Presse. Es ging – wieder – um Gerhard Schröder. Vor etwas mehr als vier Jahren hatte der seine Einwilligung für eine „kühne Idee“ gegeben: Der Historiker Gregor Schöllgen sollte eine Biografie über Schröder schreiben – oder besser: DIE Biografie, wie es auch auf dem Titel steht.

Einblick sogar in Schröders Stasi-Akte

Dafür gewährte Schröder Einblicke in sein persönliches Archiv und in Familienalben, ermöglichte Schöllgen aber auch ungehinderten Zugang zu amtlichen Dokumenten wie den Akten des Kanzleramts, Protokollen von SPD-Gremien und –Bundestagsfraktion ja sogar in Schröders Stasi-Akte. „Sie müssen wissen dass ich am Ende möglicherweise mehr über Sie weiß als sie selbst“, will Gregor Schöllgen Schröder vor Beginn des Projekts gewarnt haben. So erzählte es der Autor am Dienstag in der Bundespressekonferenz.

Auch mit Angela Merkel konnte Schöllgen für die Biografie sprechen. Die Kanzlerin lobte bei der Buchvorstellung wie „akribisch präzise“ der  Autor Schröders Lebensgeschichte aufbereitet habe. Der Historiker hat das – ohne Anhang – knapp 1000 Seiten umfassende Buch in sieben Kapitel gegliedert, von „Der Aussteiger“ (1944 – 1966) bis „Der Ratgeber“ (2005 – 2015). „,Der Aussteiger’ kommt mir am überraschendsten vor“, sagte Merkel. Die Kapitelüberschrift markiere aber gut „das Eigensinnige von Gerhard Schröder“.

Merkels Hochachtung für Schröders Reform-Leistung

Die Kanzlerin und ihr Vorgänger achten und schätzen sich. Auch das wurde bei der Buchvorstellung deutlich. So lobte Merkel „das unbedingte Machtbewusstsein und den Pragmatismus“ Schröders und sprach ihm ihre „Hochachtung vor seiner Leistung als Reformer“ aus. Schröder wiederum dankte seiner Nachfolgerin, dass sie sich die Zeit genommen hat, seine Biografie vorzustellen: „Das ist nicht selbstverständlich bei unserer gemeinsamen Geschichte.“

Für Schröder hat die Biografie einen besonderen Wert. „Das Buch ist für mich von einzigartiger Bedeutung“, betonte er. Dabei spiele das Politische eine untergeordnete Rolle („Das habe ich ja selbst alles miterlebt.“). Vor allem habe er sehr viel Neues über seine eigene Familiengeschichte erfahren.

Hätte sich Merkel Schröder in ihrem Kabinett gewünscht?

Kritik an Merkel wollte Schröder auch auf mehrmalige Nachfrage von Journalisten nicht äußern. „Ich bin nicht hier, um über aktuelle Politik zu sprechen“, sagte der Altkanzler kurz. Die Kanzlerin dagegen hielt sich nicht zurück. „Ich fand es nicht richtig, dass Gerhard Schröder 2004 den Parteivorsitz abgegeben hat“, meinte Merkel. Schon damals habe sie gedacht: „Das hat Konsequenzen.“

Und wie ist das Verhältnis der beiden zehn Jahre nach dem Machtwechsel? „Wir haben ein überschaubares Repertoire an Treffen“, gab Angela Merkel zu. Ansonsten sei „nichts verspannt, sondern ok“. Wenn es notwendig sei, telefoniere man. Die Büros pflegten ein gutes Verhältnis. Hätte sich Merkel Gerhard Schröder gar in ihrem Kabinett gewünscht? Da stutzte die Kanzlerin kurz und lächelte: „Auch damit wäre ich klar gekommen.“

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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