Kultur

Sanfte Landung

von Edda Neumann · 6. September 2009
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In Camperts titelgebender Erzählung verspricht sich der Dichter und Alkoholiker Onno Mulder eine "Sanfte Landung" im Museum für moderne Kunst. Die Beobachtung, dass malende Zeitgenossen von den Menschen weit mehr geschätzt werden als Dichter, frustriert Mulder so sehr, dass er seinen Ärger bei einer Flasche Wein betäubt. Sein Vorhaben, ein Gedicht zum Andenken an einen längst verstorbenen Freund zu schreiben, rutscht in weite Ferne. Einfühlsam beschreibt Campert das Wechselbad eines Trinkers zwischen klarer Scharfsinnigkeit und Momenten der Selbstüberschätzung. In nüchternen Zustand ist Mulder von der Angst beherrscht, dass ihm die Welt entgleiten könnte. Im Rausch hingegen hält er sich für einen genialen Dichter, der für die Welt zu schade ist. In diesem Hin und Her sucht Mulder seinem Rückzugsort, an dem er sanft landen kann.

Kunst des Lebens

Als Erzähler kreist Campert immer um ein Thema: Die Kunst des Lebens im grauen Alltag. Er versammelt Figuren, die desillusioniert und auf unterschiedliche Weise melancholisch sind. Naiv und unbeholfen schlagen sich die Protagonisten durch das Leben. Sie sind nicht besonders standfest: Ein Blick, eine unterstellte Respektlosigkeit oder eine unerwartete Komplikation lösen Wutanfälle, Wehleidigkeiten oder Weglaufen aus.

Da ist ein Mann, der sich urplötzlich zu Fuß nach Paris aufmacht und damit Verwunderung in seiner Umgebung erregt. Ein anderer erwägt anderenorts die Rückkehr zu seiner Frau, die er drei Jahre zuvor verlassen hat. Als er bereits auf dem Bahnhof in der Stadt steht, wo sie wohnt, packen ihn tiefe Zweifel, dass sich seit damals womöglich nichts geändert haben könnte. Die Entscheidung überlässt er dem Zufall: Er verpasst seinem Koffer einen Tritt. Fällt dieser um, würde er abreisen.

Dramen des Alltags

Eine Frau lebt zusammen mit einer zugelaufenen Katze in einem baufälligen Haus mit elf Kammern und eingeworfenen Fenstern außerhalb der Gemeinde. Das Haus ist als Heim für geistig behinderte Kinder vorgesehen. Bis die Umbauarbeiten beginnen, darf die Frau dort bleiben. Eines Tages jedoch läuft die Katze weg. Die Frau sucht nach dem Tier und macht sich Gedanken über den Grund des Weglaufens. Ohne zu einem plausiblen Schluss zu kommen, nimmt sie schließlich das Verschwinden hin. Denn eigentlich ist es das, was sie kennt und selbst auch getan hat.

Es sind die Kleinigkeiten und das permanente Beschäftigen mit den eigenen Befindlichkeiten, die zu kleinen Dramen auswachsen. Nichts Schwerwiegendes, jedoch so erheblich, dass sie das Wohlbefinden der Figuren stören. Diese nehmen alles und vor allem sich selbst bitter ernst. Campert zaubert den poetischen Moment in diesen grauen Alltagsgeschichten herbei. Trotz aller Trübseligkeit kann der mitfühlende Leser über diese Unannehmlichkeiten des Alltags lachen. Empfehlenswert!

Edda Neumann




Remco Campert: Sanfte Landung. Erzählungen, Arche Verlag 2009, 159 Seiten, 18,00 Euro, ISBN-13: 978-3716026021
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