Rote Nasen gegen die Schrecken des Krieges
Es klingt nach Satire, doch diese Menschen nehmen ihr Anliegen äußerst ernst: Der Verein „Clowns ohne Grenzen“ schickt seit acht Jahren Männer und Frauen in die Krisengebiete der Welt, um die Menschen zum Lachen zu bringen. Nicht, weil sich die oft bittere Realität weglachen ließe, sondern um den Betroffenen dabei zu helfen, mit der Welt in Kontakt zu treten und sich selbst neu zu entdecken. Also erste Schritte auf dem langen Weg zu gehen, das Erlebte zu verarbeiten. Dass Clowns auf diesem Gebiet bewanderter sind, als viele meinen, ist eine der zentralen Erkenntnisse von „Happy Welcome“.
Wenig Ausstattung, viele Ideen
Rund 150 Mitglieder zählt der Verein heute. Vier von ihnen haben sich im vergangenen Sommer auf eine Reise gemacht, die unterstreicht, dass die Konflikte der Gegenwart näher rücken: Mit wenig Ausstattung und viel Ideen tourten sie durch Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland. Nicht etwa, weil Deutschland ein Krisengebiet ist, wohl aber in diesem Jahr bis zu 800 000 Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten aufnehmen wird. Das Anliegen der Gruppe: Grenzen überwinden, Freude bringen und Mitgefühl mit jenen Menschen zeigen, denen nicht nur im dumpfen Umfeld von Pegida und Co. immer wieder Misstrauen entgegenschlägt.
Der Filmemacher Walter Steffen war mit zwei Kamerateams dabei. Mit den Clowns und Clowninnen besuchte er Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern, Thüringen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Im Stile eines Roadmovies wechseln Schauplätze und Situationen. Und es ist mitzuerleben, wie die Reise die Protagonisten verändert: Miriam Brenner, Stefan Knoll, Andreas J. Schantz und Georgia Huber hatten vorab eine Show entwickelt, doch die Eindrücke aus den Begegnungen bleiben nicht ohne Folgen für die Performance. Auch der Horizont der Vierergruppe erweitert sich. Die konkrete Situation der Geflüchteten in den Unterkünften und die Interaktion mit den vielen Menschen aus grundverschiedenen fügt ihrem Blick auf derlei Schicksale, aber auch der Auffassung von den Möglichkeiten des eigenen Schaffens entscheidende Elemente hinzu. Wenn in angenehm trägen Einstellungen die Landschaft an ihnen vorbeizieht, meint man zu erkennen, was in diesen sensiblen Persönlichkeiten arbeitet.
Der Alltag im Zerrspiegel
Und der Zuschauer ist immer mittendrin. Zunächst scheinen die ratlosen Blicke das Publikum die Auffassung manch eines Skeptikers zu bestätigen, wenn sich diese seltsame Truppe rote Nasen umbindet, einen Besen auf dem Kinn balanciert, holperig umhertänzelt oder in einer ebenso lautstarken wie unverständlichen Fantasiesprache herumbrabbelt. Doch rasch bricht das Eis und nicht nur Kinderaugen leuchten – das häufig bemühte Klischee ist hier reine Wahrheit und die eigentliche Motivation der lustigen Besucher. Mit den Mitteln der Clownerie führen sie den großen und kleinen Zuschauern deren Alltag wie in einem Zerrspiegel vor: Endloses Warten, weil man keine Arbeitserlaubnis hat. Nicht schlafen zu können, weil in den Massenunterkünften garantiert immer irgendjemand lärmt. Und überhaupt: das Thema Privatsphäre. Wie auf einem Rockkonzert filmen die Neuankömmlinge mit ihren Smartphones fleißig mit – wohl auch, um sich an der die Erinnerung an diesen Farbtupfer in der ständigen Monotonie festzuhalten.
Toleranz, Nächstenliebe, Herzlichkeit und die ungeahnten Möglichkeiten eines kleinen Häufchens Menschen, etwa zu erreichen: Die Haltung dieses Films zieht sich überdeutlich durch etliche Szenen und macht auch nicht halt vor den Zwischentexten, die unter anderem den Geist der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen beschwören. Und dennoch findet Steffen das richtige Maß, um nicht ins Pathos oder Idyllische abzugleiten. Keinesfalls agiert sein Film im luftleeren Raum. Immer wieder werden die Zuschauenden mit Fakten rund um das gefüttert, was in der Öffentlichkeit als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet wird. Besonders berührend sind die Erzählungen von Flüchtlingskindern – deren animierte Zeichnungen zeigen die Langlebigkeit des Schreckens: und damit auch einen wesentlichen Grund, weswegen die Rotnasen zu ihnen kommen.
Sinnlicher Eindruck von den Drehorten
Mag die Kamera auch nur einen begrenzten Bereich der Erstaufnahmeeinrichtungen, deren Bewohner meist im Wochentakt wechseln, einfangen und die Halbwertszeit der gestifteten Hoffnung kaum messbar sein: Dennoch bietet der Film einen sinnlichen Eindruck vom den Drehorten: Es lässt sich erahnen, was es heißt, sich an Orten und in Strukturen zurechtzufinden, die zwar ein Dach über dem Kopf, aber jenseits der Clowns vor allem Verlorenheit bieten: Überdeutlich wird das in Halberstadt, wo die Flüchtlinge in kasernenartigen Plattenbauten weit draußen vor den Toren der Stadt ausharren. Und doch: Was von diesem Film bleibt, ist Zuversicht: Eine Nuance, die der Debatte um Flüchtlinge in Deutschland guttut.
Happy Welcome (Deutschland 2015), ein Film von Walter Steffen, mit Miriam Brenner, Stefan Knoll, Andreas J. Schantz und Georgia Huber, 85 Minuten. Jetzt im Kino.