Kultur

Robert Misik über den Kapitalismus: „Die Maschine ist kaputt“

In seinem neuen Buch „Kaputtalismus. Wird der Kapitalismus sterben und wenn ja, würde uns das glücklich machen?“ bringt Robert Misik provokante Thesen. Deutschland etwa hält er für „eine Kraft der Destabilisierung in Europa“. Für den gegenwärtigen Kapitalismus sieht er keine Zukunft.
von Birgit Güll · 10. Mai 2016
Ist der gegenwärtige Kapitalismus ohne Zukunft, wie Robert Misik in seinem Buch behauptet?
Ist der gegenwärtige Kapitalismus ohne Zukunft, wie Robert Misik in seinem Buch behauptet?

Sie schreiben über Schuldenberge, wachsende Ungleichheit, aufgeblähte Finanzmärkte und kommen zu dem Schluss: „Die Maschine Kapitalismus ist kaputt. Und die Eliten haben keinen Plan, wie sie sie wieder flott bekommen sollen.“ Und nun?

Unser ökonomisches System ist mit den gewohnten Antworten nicht mehr flottzubekommen. Wir brauchen eine neue Form von Ökonomie, die auf drei Sektoren beruht: auf dem klassischen privatkapitalistischen Sektor. Auf einem aktiven staatlichen Sektor, der zur Stabilisierung nicht den privaten Sektor hätschelt, indem er z.B. Banken rettet. Der dritte Sektor ist der zivilgesellschaftliche, den lässt man heute links liegen.

Sie schreiben über Menschen, die Dinge gemeinsam machen, Produkte herstellen, ohne an den Profit zu denken. Haben sie eine Chance gegen Großkonzerne?

Es gibt heute viele Spielarten zivilgesellschaftlicher Aktivitäten. Von Tauschringen – also solidarischer Ökonomie – über kleine Start-Ups und Karriereentscheidungen von Leuten, die etwas tun wollen, das sie für sinnvoll halten, statt auf die Kohle zu schauen. Die Politik muss diesen neuen Wirtschaftssektor unterstützen – mit Geld und mit Know-how. Aktuell sieht die Politik die Krise als Ausnahme: Man will an ein paar politischen Stellschrauben drehen, um zur Normalität zurückzukommen. Aber diese Normalität gibt es nicht mehr, gab es vielleicht nie. Es waren nur sehr kurze Phasen, in denen der Kapitalismus rasant wuchs, Aufschwung brachte, mehr Chancen und Zukunftsoptimismus. Kontinuierliche Prosperität gab es nicht.  

Sie schreiben, dass der ökonomische Niedergang und die Aushöhlung der Demokratie Hand in Hand gehen. Können die rechten Parteien den -Niedergang des Kapitalismus weiterhin nutzen?

Die Demokratie ist in zweifacher Weise unter Druck. Einerseits durch die politischen und wirtschaftlichen Eliten selbst. Der Kapitalismus ist im Stressmodus und Demokratie plötzlich ein unleistbarer Luxus. Alternativlose Pläne müssen innerhalb weniger Tage beschlossen sein.

Das zweite Problem ist, dass Politik unter diesen Bedingungen keine Hoffnung mehr vermitteln kann. Da wächst Frust und den nutzen die Rechtspopulisten. Das heißt nicht, dass sie überall gewinnen. Es gewinnen auch radikalere Linksparteien und es gibt Reorganisationen klassischer sozialdemokratischer Parteien wie der Labour Party. Doch wir müssen in Zukunft auch mit der Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten rechnen.

Sie sehen Deutschland als „eine  Kraft der Destabilisierung in Europa“. Können Sie das erläutern?

Wenn man im Süden eine soziale Katastrophe hat, ist man mit einem Miniwachstum schon toll. Prosperität in einem Maße, wie der Kapitalismus sie braucht, um stabil zu bleiben, kriegt auch Deutschland nicht hin. Dass es seine Wirtschaftspartner niederkonkurriert, sorgt für eine wachsende Instabilität in der Eurozone. Das ist langfristig auch für Deutschland nicht gut. Es braucht Wirtschaftspartner. Da ist schon der oft benutzte Begriff Handelspartner völlig falsch. Würde Brandenburg Niedersachsen niederkonkurrieren, würde man sagen: Deutschland hat ein Problem. So müssten wir innerhalb der EU auch denken – tun wir aber nicht.

Und Deutschland ist nicht nur mitverantwortlich für die Krise, es diktiert auch noch in absurder Weise Austeritätspolitik. Das ist ein weiterer Schritt zur Destabilisierung.

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Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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