Das Kino macht so viel Umsatz wie nie zuvor - so konnte man in den letzten Wochen immer wieder lesen. Dabei hat insbesondere ein Film für den ersehnten Geldsegen gesorgt: "Avatar", die Geschichte um ein Volk blauer Eingeborener, das sich gegen skrupellose Rohstoffjäger zur Wehr setzen muss. Ein Film, der verdeckt, dass in erster Linie jene Kinos von dem Boom profitieren, die über eine kostspielige digitale Projektionstechnik verfügen. Denn der durchsichtige Filmstreifen, das Sinnbild für das Kinovergnügen am Samstagabend, hat ausgedient. Ersetzt wird er durch ein digitales Datenpaket, das schnell und günstig verschickt werden kann.
Investitionskosten sind das Problem
Der Zuschauer profitiert von der Digitalisierung. Beschädigte oder unscharfe Kopien gehören der Vergangenheit an. Zudem kann man in der Provinz schneller einen Film sehen und muss nicht mehr darauf warten, dass in der Stadt eine Kopie frei wird. Als erster Verleiher hat Disney eine Filmbelieferungsgarantie ab Starttag auch für das kleinste Provinzkino ausgesprochen - allerdings nur für eine digitale Kopie.
Wer keine digitale Projektion hat, bleibt also außen vor. Ein Szenario, so befürchtet die SPD, das in gar nicht allzu ferner Zukunft für alle Filme gilt, denn den Verleihern ist daran gelegen, keine teuren analogen Filmkopien mehr herzustellen. Bei Filmen, die in Hunderten von Kinosälen laufen, kann ein Großverleih rasch Hunderttausende von Euro pro Film an Kopier- und Transportkosten sparen. Natürlich hilft die Digitalisierung auch den Verleihern anspruchsvoller Filmkunst aus Europa und Deutschland sowie ihren Produzenten.
Auch ihre Filme können schneller, günstiger und in mehr Kinos als bisher vertrieben werden. Gerade kommunale Kinos und Filmkunstkinos sowie Kinos in bevölkerungsschwachen Gegenden könnten mithilfe der Digitalisierung ein größeres und flexibleres Programm anbieten - wären da nicht die Investitionskosten von 60 000 bis 90 000 Euro pro digitaler Anlage und Saal. Diese Summe können viele der kleinen Kinobetreiber nicht aufbringen. "Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, die wir alleine schlicht nicht stemmen können", sorgt sich Marion Closmann, Kinobetreiberin im hessischen Marburg.
Die Provinz würde profitieren
Als Folge befürchtet die SPD eine Marktbereinigung zugunsten der großen Kinoketten. Ein brancheneigenes Solidarmodell zur flächendeckenden Digitalisierung ist gescheitert. Deshalb drängte die SPD-Bundestagsfraktion auf ein neues Solidarmodell für die wirtschaftlich schwachen Kinos: Sie brachte einen Antrag "Für eine Kinodigitalisierung, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert" ein. Die Koalitionsfraktionen schlossen sich diesem an. Am 6. Mai stellte Kulturstaatsminister Bernd Neumann erste Eckpunkte des Modells vor, das vom Bundestag mit 4 Millionen Euro für dieses Jahr und 2,5 Millionen Euro für 2011 und 2012 ausgestattet wurde.
Ziel der Initiative sei es, jene Kinos zu erhalten, die die kulturelle Grundversorgung auf dem Land übernehmen, erklärt die filmpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Angelika Krüger-Leißner und fügt hinzu: "Uns geht es darum, den deutschen Film zu den Menschen zu bringen, und dafür brauchen wir Kinos, die ihn zeigen - und das sind vor allem die kleinen und nicht so umsatzstarken Häuser."
Von der Maßnahme, die auch die Länder, die Filmförderanstalt und die Filmverleiher mitzahlen sollen, profitieren rund 1200 von etwa 4700 bundesweiten Kinosälen. Der
durchschnittliche Jahresumsatz dieser Säle darf in den letzten drei Jahren allerdings nicht über 180 000 Euro gelegen haben. Eine Grenze, die bereits Kritik von der AG Kino-Gilde, der
Interessengemeinschaft der deutschen Filmkunst- und Programmkinos, provoziert hat. "Wenn die Umsatzgrenze bleibt, fallen all jene Kinos raus, denen der deutsche Film seinen hohen Marktanteil zu
verdanken hat", gibt Eva Matlok, Geschäftsführerin der AG Kino-Gilde zu bedenken. Denn erst bei einem Umsatz ab etwa 300 000 Euro bleibt nach Abzug aller Kosten genügend Gewinn für Investitionen.
Hilfe mit Pferdefuß
Das Konzept hat noch zwei weitere Pferdefüße: Brüssel muss dem Modell noch zustimmen, und erst vier Bundesländer haben erkennen lassen, dass sie die Digitalisierung unterstützen wollen. "Ohne die Länder geht es aber nicht", nimmt Angelika Krüger-Leißner die Bundesländer in die Pflicht. "Einerseits ist Kultur Ländersache, anderseits kann der Bund ihren Beitrag nicht ausgleichen. Und auch den Kommunen muss klar sein, dass sie sich um ihre Kinos kümmern müssen. Sind sie erst einmal verschwunden, kommen sie nicht mehr zurück." Angelika Krüger-Leißner drückt weiter aufs Gaspedal. Bis zur Sommerpause Mitte Juli muss der Pakt stehen, damit im September die überfällige Umrüstung starten kann.