Viele Jahre war er renommierter Journalist und Buchautor. Seine Meinung hatte Gewicht, Vorträge, die er hielt, waren gut besucht. Doch sein zunehmendes Alter setzt Peter Weber nicht nur
gesundheitlich zu. Bereits zugesagte Artikel kann er nicht fertig stellen, sich nicht zu Vortragsreisen motivieren. Mitten in diese Lethargie des Älterwerdens platzt Webers Enkel Samuel. "Der
Kleine Herr" krempelt das Leben des Alten gehörig um.
Zuerst ein wenig genervt von der quirligen Art des Knirpses, lässt sich Weber zunehmend von dessen Neugier und Lebenslust anstecken. Von Samuel liebevoll" "O'Bär" getauft und von seiner
Frau etwas misstrauisch beobachtet, lässt sich Weber Schritt für Schritt auf dessen Welt ein. Seine Erfahrungen hält er in Briefen fest, die er zwar an seien Enkel richtet, doch die dieser erst
sehr viel später wird lesen können.
Autobiographische Elemente
Die Folgen der Begegnung sind unerwartet und schön. Mit der Hilfe von Samuel gelingt es Weber nach und nach, sich aus der Gefangenheit des Alters zu befreien. Die unbekümmerte Art des
Kleinen löst die Blockade des Schriftstellers und macht Samuel zu einem unverzichtbaren Begleiter seines Großvaters.
Alter trifft Jugend, kindliche Unbekümmertheit obsiegt über die Konventionen des Erwachsenseins. Mit "O'Bär an Enkel Samuel" ist Peter Härtling ein bezauberndes Buch gelungen. Mit stark
autobiographischen Zügen schreibt der 75-Jährige über die Fallstricke des Älterwerdens und das unbedarfte Weltverständnis von Kindern. Beide Positionen nimmt man ihm ab.
Durch die Augen des Autors werden Weber und seine Erlebnisse lebendig. Dabei passiert auf den hundert Seiten des Buchs vordergründig nicht viel - hintergründig allerdings eine ganze Menge.
So erlebt der Leser die wundersame Wandlung eines alten Mannes, der sich schon aufgegeben hatte. Einfühlsam und mit leisen Tönen beschreibt Härtling das Innenleben seiner Hauptperson, die zu
einem Gutteil er selbst sein wird.
Peter Härtling: O'Bär an Enkel Samuel, Kiepenheuer & Witsch 2008, ISBN 978-3-462-04060-9, 14,95 Euro