vorwärts.de: "Den Mond beflüstern", das klingt für uns sehr finnisch! Was bedeutet es?
Kuunkuiskaajat: Es heißt spricht deutsch "Mondflüsterinnen".
"Mondflüsterinnen" - ist das ein traditioneller Ausdruck? Hat er eine traditionelle Bedeutung?
Eigentlich nicht. Es ist einfach ein sehr lyrisches Wort. Tatsächlich habe ich das Wort noch nie vorher gehört.
Also ist es Eure eigene Wortschöpfung?
Ja (lacht). Wir haben es uns ausgedacht.
Klingt prima!
Ja, aber ich denke, es beschreibt auch sehr gut unsere Musik, da der Mond ein sehr starkes Element ist. Er gibt Licht. Er verleiht Energie.
Ist es das, was Ihr auf der Bühne ausdrücken wollt?
Ja, der Mond bewegt ja auch das Wasser und die Gezeiten. Er hat etwas Magisches. Ich denke, das beschreibt wirklich gut unsere Musik.
Ihr singt in Eurem Lied von "armen Musikern"?
(Beide lachen wegen der Doppeldeutigkeit des englischen Wortes "poor"). Arm, aber nicht armselig!
Und Ihr singt, auch wenn man noch so hart schuftet, es doch letztlich der Kommerz ist, der das Geld in die Geldbörse bringt?
Genau, erst die Wirtschaft macht Dich wirklich reich. Wir singen vor allem von der Leidenschaft, Lieder zu schreiben. Dass Du, egal ob Du Geld dafür bekommst oder nicht, es auf jeden Fall tun willst, weil es Deine Leidenschaft ist. Das ist die tiefere Bedeutung unseres Liedes.
Und wie ist dies für Euch? Wie lebt es sich als junge Folklore-Musikerinnen in Finnland?
Ich denke, dass jeder Tag eine neue, große Überraschung darstellt. Du weißt einfach nie, was passieren wird. Wir arbeiten eben gerne mit Leuten zusammen. Ich wüsste eben trotz allem keinen besseren Beruf. Anfangs ist es natürlich erst einmal unser Hobby gewesen, aber nun ist es unser Beruf und was könnte besser sein?
Aber ich vermute, dass es eine durchaus größere Volksmusikszene in Finnland gibt? Sind die Finnen interessiert an folkloristischer Musik?
Oh ja, vor allem ist das am Wachsen. Wir waren, nein, wir sind immer noch bei Värttinä, das ist eine sehr alte Volksmusik-Gruppe in Finnland. Mit Värttina haben wir auch in Deutschland viele, viele Konzerte gegeben.
Bei unserer ersten Recherche über Euch im März haben wir gelesen, dass Ihr ein paar Tage zuvor gerade in Bad Dürrheim ein Konzert gegeben habt?
(Beide lachen laut auf). Oh ja, genau.
Kommt Ihr auch nach Berlin?
Ja, wir hoffen das sehr. Wir lieben diese Stadt. Im nächsten Herbst touren wir wieder durch Deutschland - wir hoffen, dass es dann klappt.
Euer Beitrag unterscheidet sich stark von denen der letzten Jahre aus Finnland und ist so völlig anders als das, was wir lange von Finnland gewöhnt waren. Bei Finnland fällt uns die hohe Suizid-Rate ein, Depression und Melancholie (beide lachen) und viele Titel waren immer sehr melancholisch?
Das stimmt!!!
Euer Beitrag dagegen ist so stark und frisch und Ihr strahlt so gute Laune und Fröhlichkeit aus. Für mich ist es der beste finnische Beitrag seit Jahren.
(Erstaunt): Ernsthaft???
Absolut!
Es war ein guter Zeitpunkt, endlich etwas anderes aus Finnland zu bringen.
Drei Fragen zum Schluss, die wir allen stellen: Welche drei Wörter fallen Euch zu unserem deutschen Beitrag Satellite und zu Lena ein?
Wir mögen dieses Lied wirklich sehr! Und wir haben uns gedacht, dass es nett wäre, wenn sie ihr Haar total verrückt und crazy frisieren würde (deutet gestisch eine wirre und verstrubbelte Frisur an). Sie ist eine wirklich gute Sängerin, hat einen sehr indivudellen Klang - wir mögen sie wirklich sehr. Wir haben sie leider noch nicht getroffen.
Wenn jemand von Euch etwas über das Leben in Finnland wissen will, weil er überlegt, dorthin zu ziehen, was würdet Ihr ihm sagen? Gibt es besondere Eigenarten der Finnen?
Die Winter sind sehr sehr kalt bei uns und die Sommernächte sehr hell, weil die Sonne nicht untergeht. In Lappland kannst Du Rentiere auf den Straßen laufen sehen und Santa Claus wohnt bei uns in Finnland. Die Menschen in Finnland haben eine Menge "Sisu" - wir geben nie auf und sind hart arbeitend. Wir lieben unsere Sehen und unsere Natur.
Und wie beeinflussen diese Eigenschaften die Musik in Eurem Land - und natürlich Eure eigene Musik?
Es liegt eventuell an den dunklen und kalten Wintertagen, dass viele unserer Lieder von Einsamkeit, verlorenen Erinnerungen und von verlorener Liebe handeln - andererseits sind dies weltweit sehr beliebte Themen. Unsere eigene Musik bezieht sich auf finnische Traditionen und natürlich auf unsere Sprache und ihre Dialekte. So sagen die Leute aus dem Osten Finnlands tatsächlich "Työlki ellää".
Susan und Johanna: Vielen Dank für das Gespräch und vor allem viel Erfolg!
Das Gespräch führte Martin Schmidtner. Es wurde auf Englisch geführt. Da sich anhand der Tonaufnahme die Aussagen der beiden Künstlerinnen nicht eindeutig zuordnen ließen, wurden beider Antworten unter dem Gruppennamen zusammengeführt.
Kuunkuiskaajat ist finnisch und heißt "Mondflüsterinnen. Die beiden Mondflüsterinnen sind Susan Aho and Johanna Virtanen. Susan (36) ist Absolventin der Sibelius-Akademie und hat ihren
Master in Volksmusik gemacht. Johanna (33) ist Gesangslehrerin und macht derzeit ebenfalls ihren Master an der renommierten Akademie. Beide singen auch in der bekannten finnischen
Folk-Formation Värttinä - als Kuunkuiskaajat haben sie vergangenes Jahr ihr erstes Album herausgegeben.
Ihr Lied Työlki ellää, (Text und Musik: Timo Kiiskinen) ist eine ironische Redensart im ostfinnischen Karelisch, die sich mit "Auch Arbeit kann Dich ernähren" übersetzen lässt. Die ganze
Textzeile lautet: Auch Arbeit kann Dich ernähren, aber es ist der Handel, der Dich reich macht. Im Lied geht es um die Leidenschaft des Künstlers, trotz aller Widrigkeiten seine Musik zu
machen.