Viele Städte und Gemeinden in Deutschland sind pleite. Diese Wahrheit konnte man in der Anhörung des Kulturausschusses des Bundestages Ende Februar erfahren. Hier wurde der Vorschlag des Deutschen Kulturrates für einen Nothilfefonds des Bundes für bedrohte kommunale Kultureinrichtungen diskutiert. Essen zum Beispiel, die amtierende Kulturhauptstadt Europas, macht jeden Tag eine Million Euro neue Schulden. Gerade die Städte im Ruhrgebiet, aber auch die Kommunen vieler östlicher und nördlicher Bundesländer, sind entsetzlich überschuldet.
Der Grund für die katastrophale Lage dieser Städte: Sie sind seit langem überfordert. Immer neue Aufgaben wurden ihnen zugeordnet, ohne dass die Finanzierung abgesichert wurde. Jetzt brechen die ersten Städte unter der Last zusammen. Den Bürgern sollen in den nächsten Jahren dramatische Einschnitte zugemutet werden, weil die Länder und der Bund ihnen Hilfe verweigern.
Kultur ist unentbehrlich
Zwei Föderalismusreformen haben wir in den letzten Jahren über uns ergehen lassen müssen, ohne dass das Problem der Aufteilung der Finanzzuweisungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen beherzt angegangen worden wäre. Es sind im Gegenteil gerade diese Föderalismusreformen, die es jetzt dem Bund so schwer machen, einen Nothilfefonds für kommunale Kultureinrichtungen einzurichten.
Die Städte und Gemeinden sparen in ihrer Not dort, wo es ihnen juristisch möglich erscheint. Gerade die Kulturförderung, die als "freiwillige Aufgabe" gilt, steht unter besonderem Beschuss. Einige Kämmerer interpretieren den Begriff "freiwillige Aufgabe" mit "entbehrliche Aufgabe" und merken nicht, dass gerade die freiwilligen Aufgaben einer Kommune der Kern der kommunalen Selbstverwaltung sind. Nur hier können die Räte für ihre Bürger wirklich etwas selbst entscheiden.
Die Frage, die sich stellt, ist nicht nur, ob es richtig ist, dieses oder jenes Museum, soziokulturelle Zentrum oder Theater zu schließen. Die Frage ist auch, ob die Gemeinderäte es zulassen werden, dass ihnen einer der letzten Bereiche der kommunalen Selbstverwaltung auch noch weggenommen wird.
Endgültig den Vogel abgeschossen
Mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Bundesregierung jetzt endgültig den Vogel abgeschossen. Die Kommunen werden alleine durch diese überflüssige Gesetzesmaßnahme 1,6 Milliarden Euro an Einnahmen verlieren.
Wir brauchen dringend eine Neuordnung der Kommunalfinanzen bis hin zu einer entsprechenden Steuergesetzgebung, die das Erfordernis einer Entschuldung der Städte und Gemeinden im Blick hat. Trotz teilweise rigider Sparmaßnahmen, trotz Haushaltssicherungskonzepten werden viele Kommunen ihre Schulden nicht nachhaltig abbauen können, sitzen in der Schuldenfalle. Es ist daher erforderlich, auch für diese überschuldeten Kommunen Konzepte zu erarbeiten, damit neue Ansätze in der Kommunalfinanzierung nicht gleich wieder durch Altlasten konterkariert werden.
Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass neben diesen mittelfristigen Maßnahmen kurzfristige Lösungen gefunden werden, damit die kulturelle Infrastruktur, dazu gehören neben den Kultureinrichtungen auch kulturelle Projekte und die individuelle Künstlerförderung, keinen weiteren Schaden nimmt. Denn eines muss allen Verantwortlichen klar sein: Ein geschlossenes Museum, Theater oder Literaturhaus wird nach der Überwindung der Finanzkrise nur in den seltensten Fällen wieder neu eröffnet werden.
Die Länder sind in der Pflicht
Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Diese ursozialdemokratische Kernaussage muss erst einmal für kurzfristige Nothilfemaßnahmen bei der Kulturfinanzierung eingelöst werden.
Für eine wirkungsvolle Nothilfe sollte die Bundesregierung einen großzügigen Fonds bei der Kulturstiftung des Bundes ansiedeln. Der Bund könnte diesen Nothilfefonds aber auch, sollte es bei der ersten Option Bedenken der Länder geben, der Kulturstiftung der Länder übertragen, die er bis vor wenigen Jahren zur Hälfte mitfinanziert hat.
Besonders sind aber die Länder gefordert, den Kommunen zu helfen. Sie könnten ebenfalls einen Nothilfefonds Kultur der Kulturstiftung der Länder angliedern. Die Länder habenin den Föderalismusreformen ihre Zuständigkeit für Kultur mit Nachdruck vertreten. Daraus folgt, dass sie jetzt auch Verantwortung tragen und zwar nicht nur jedes Land für sich allein, sondern die Gemeinschaft der Länder für alle notleidenden Kommunen in Deutschland. Gerade die sozialdemokratisch regierten Länder sollten in dieser Frage mit gutem Beispiel voran gehen.
Olaf Zimmermann, geboren 1961, ist seit 1997 Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.