Dass Bullerjahn nicht nur Praktiker ist, sondern auch in der Theorie bewandert ist, hat er mit seinem Papier "Sachsen-Anhalt 2020 - Einsichten und Perspektiven" bewiesen. Schonungslos zeigt
er - auch von der SPD mit verursachte - Entwicklungsdefizite in Sachsen-Anhalt auf und benennt Auswege aus der Misere.
"Quo vadis Ostdeutschland?" hat einige Stärken, so etwa die Analyse der Probleme des Ostens, die sich gegenseitig bedingen und verstärken: Zum einen die schwache und in weiten Teilen nicht
überlebensfähige Wirtschaft, die den Prozess der Deindustrialisierung in den ersten Nachwendejahren bis heute nicht kompensiert hat. Andererseits die hohe Arbeitslosigkeit mit durchschnittlich 17
Prozent und schließlich die demographische Entwicklung, die geprägt ist von niedrigen Geburtenraten und dem Wegziehen der besser Ausgebildeten und der Jungen. Seit der Einheit hat Sachsen-Anhalt
über 13 Prozent der Bevölkerung verloren, bis 2020 werden nach Prognosen weitere 18 Prozent das Land verlassen. Die Folge: Ganze Landstriche versinken in Perspektivlosigkeit. Zündstoff für die
ost-, wie für die gesamtdeutsche Gesellschaft. Angesicht des Auslaufens des Solidarpakts im Jahr 2019 keine besonders ermutigende Perspektive.
Bildungsregion Ostdeutschland
Klar gibt es auch Lichtstreifen am Horizont. Durch Zukunftstechnologien bedingte demographische und wirtschaftliche Wachstumsregionen wie etwa Leipzig. Eine verhältnismäßig stabile
Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg - bedingt jedoch auch durch den Umzug vieler gut situierter Berliner in das grüne Umland. Ein gutes Bildungs- und Betreuungssystem. Bullerjahn benennt die
Zukunftsfelder. Er muss es auch. Die Lage im Osten der Republik ist nach wie vor ernst - aber nicht hoffnungslos. Das ist seine Message. Die von ihm gezeichneten Auswege sind schlüssig.
Ostdeutschland solle sich auf seine Stärken konzentrieren und wirtschaftliche Wachstumsfelder gezielt weiter fördern. Der Osten solle zur Bildungsregion werden, ein Anziehungspunkt für Junge und
Familien aus der gesamten Republik.
Das Problem an "Quo vadis Ostdeutschland?" ist jedoch, dass es in weiten Teilen in einem wirklichkeitsentrücktem Parteitagsdeutsch formuliert wurde. Sätze wie "die Menschen sollen angeregt
werden, sich aktiv mit dem Wandel auseinander zu setzen, die Lebensqualität vor Ort zu bewahren und damit den sozialen Zusammenhalt zu stärken", dürften nicht nur auf einen fünfzigjährigen
Langzeitarbeitslosen im Bitterfelder Umland ein wenig schräg wirken. Dem Buch tut das nicht gut. Trotzdem könnte es ein wichtiger Beitrag in der dringend nötigen Diskussion über die Zukunft
Ostdeutschlands sein.
Jens Bullerjahn: "Quo vadis, Ostdeutschland? Zukunftsorientierte Politik für den Aufbau der neuen Länder". Anderbeck Verlag 2006, 7,90 Euro, ISBN 3-937751-29-7
Chefredakteur der DEMO, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf