Am vorwärts-Stand bei der Frankfurter Buchmesse diskutiert der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück über die zunehmende Spaltung der Gesellschaft und die wachsende Ungleichheit.
Die Schere zwischen reich und arm wird größer, in den USA ist die Spaltung der Gesellschaft weit vorangeschritten. „Das Schlimme an dieser Entwicklung ist, dass andere Länder diesem Trend folgen,“ sagt Joseph Stiglitz, Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger, am Freitag in einer Diskussion mit dem SPD-Politiker Peer Steinbrück auf der Frankfurter Buchmesse. Der SPD-Kanzlerkandidat bestätigt diesen Trend auch für Deutschland. Das Problem sei, dass große Vermögen nicht in Realvermögen investierten, sondern in Finanzanlagen, so Steinbrück. „Das schwächt die Volkswirtschaften.“ Der ehemalige Finanzminister räumt in diesem Zusammenhang einen Fehler während seiner Amtszeit ein, den er gerne korrigieren möchte. Die Besteuerung von Kapitalvermögen muss erhöht werden, ist er sicher.
Hier stimmt Stiglitz zu. Die Steuern für Investoren seien niedriger als die Steuern auf das Arbeitseinkommen. Das muss sich ändern, sagt er. Doch nicht nur eine veränderte Steuergesetzgebung muss her, eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte ist ebenfalls notwendig. Das führe zu langfristigen Anlagen und mehr Transparenz.
Eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte betreffe nicht die Bürger, erklärt Steinbrück dem Publikum zugewandt. Nicht der Bürger sei davon betroffen, sondern institutionelle Anleger. 11 Länder in Europa wollen sie einführen, die wichtigsten Finanzzentren seien dabei.
Eine positive Entwicklung, stimmt Stiglitz zu, warnt jedoch gleichzeitig vor den Sparmaßnahmen in Europa. Spanien und Griechenland befänden sich nicht in einer Rezession, sondern bereits in einer Depression, stellt der Wirtschaftswissenschaftler fest. 25 Prozent Arbeitslosigkeit und 50 Prozent nicht erwerbstätige Jugendliche seien ein Indiz dafür.
Steuergesetze und Regelungen, um den Raubtierkapitalismus einzudämmen; dies sind wichtige Instrumente, um der Bankenkrise zu begegnen. Doch wichtig sei auch die Investition in Bildung, sagt Stiglitz. „In den USA sind Aufstiegschancen stark vom Einkommen der Eltern abhängig“, erklärt er und fügt hinzu: „Arme Kinder haben keine Chance“. Auch diese Entwicklung bestätigt Steinbrück für Deutschland mit Verweis auf den neuesten OECD-Bericht. Die Bildungsbarrieren in Deutschland seien größer als in anderen europäischen Ländern: „Die Bildung in Deutschland ist unterfinanziert.“
Steinbrück ergänzt den Katalog der Maßnahmen um einen weiteren wichtigen Punkt: Faire Löhne für gute Arbeit. Gleichzeitig nennt er es einen Skandal, dass Frauen in Deutschland für gleiche Arbeit weniger verdienten.
Das Einführen von Steuern auf Kapitalvermögen, Erbschaften und hohe Vermögen wird 2013 für viel Aufregung sorgen, prophezeit Steinbrück. Sie werden als "Teufelswerkzeug" verdammt werden. Möglicherweise werde aus bekannten Kreisen vor dem "Untergang des Abendlandes" gewarnt, so Steinbrück.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.