In Europa hausten die Barbaren. In Rom gab es noch kein Weltreich. Aber in Athen regierte schon der Geist. Hier bahnte sich die „Revolution des Wissens“ an. Doch dann kam das Mittelalter und mit ihm das Vergessen. – Bis die Araber das Wissen der Antike zurück nach Europa brachten. John Freely beschreibt diesen Prozess in „Platon in Bagdad“.
Bis zum Zusammenbruch des römischen Weltreiches im 5. Jahrhundert endete auch die Zivilisation an den Grenzen eben dieses Reiches. Die Stationen heißen: Milet, Athen, Alexandria, Rom und Byzanz. Dann bricht der Wissenstransfer ab. Der Islam war noch nicht geboren, die Päpste und das Christentum existierten schon 400 Jahre lang. Rom und Athen sind die Säulen des Wissens in der zivilisierten, eben der römischen Welt.
Der Islam erobert die Welt - und rettet ihr Wissen
Doch ab dem 6. Jahrhundert wurde Europa finster. Heute spricht man vom „dunklen Mittelalter“. Nahezu alles Wissen schien verloren. Allerdings: Im 7. Jahrhundert erblüht mit ein neues Weltreich, inspiriert von der neuen islamischen Religion. Der Islam erobert die alte Welt, dehnte sich aus bis an die Nordgrenze des heutigen Spanien und bis vor Wien.
Die Araber machen das Wissen der alten römischen Welt für sich nutzbar, sie übersetzten es aus dem Lateinischen und Griechischen ins Arabische. Kalif al Mamun gründete in Bagdad das „Haus des Wissens“. Hier wurde griechische Philosophie und Naturwissenschaft ins Arabische übertragen. So wurde das fundamentale Wissen der Griechen und Römer erhalten, der Islam hat es nicht zerstört, sondern genutzt.
Vom Orient zum Okzident
Dieser Wissenstransfer setzt sich in Damaskus und später in El Andalus, dem heutigen Andalusien, fort. Forschung und Wissenschaft gelangten unter dem Islam der ersten Jahrhunderte zu großer Blüte. Die Araber bringen das verschüttete Wissen der Antike zurück nach Europa.
In den Übersetzerschulen von Córdoba, Toledo, Palermo und Salerno werden die Texte, die arabische Gelehrte vom Griechischen ins Arabische übersetzt hatten, zurück ins Lateinische übersetzt. So können sie in der christlichen Welt wieder entdeckt werden. Ohne die Araber in Spanien wäre Europa die Entwicklung nicht geglückt, die es dann Jahrhunderte später zum „Kontinent des Wissens“ machen sollte. Mit den arabischen Übersetzerschulen beginnt die grandiose Entwicklung von Wissenschaft und Technik in Europa.
Freelys Buch liest sich leicht und spannend. Es ist jedem zu empfehlen, der wissen will, wie Europa zu „seinem“ Wissen kam und welche glückvolle Verbindung zwischen dem Morgenland und dem Abendland bestand.
John Freely: „Platon in Bagdad. Wie das Wissen der Antike zurück nach Europa kam“,Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012, 388 Seiten, 24,95 EUR, ISBN 978-3-608-94766-3