"Wo gibt es Arbeit?", "Warum ist unser kleines Land in vier Besatzungszonen eingeteilt?": Das waren die drängendsten Fragen der österreichischen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg,
jedenfalls der Erwachsenen - die Kinder und die Jugendlichen hatten ihre eigenen Sorgen und Nöte.
Peter Handke, im Band "Österreich und ich" mit einem Beitrag vertreten, hat das alles im Alter von 13 Jahren miterlebt. Er beschreibt die damalige Situation so:
"Ich aber - und wenn ich ab jetzt ich sage, bin ich das hoffentlich nicht allein - fühlte mich in dem befreiten Land alles sonst als frei (...)."
Handkes Text, einer unter insgesamt elfen, soll hier exemplarisch und stellvertretend für alle anderen betrachtet werden. Ihm ist es, gänzlich unüberraschend, doch am eindrucks- und
stilvollsten gelingt, die gefühlte Sollbruchstelle eines Landes im Übergang von der Diktatur zum zwar von den Alliierten beaufsichtigten, demokratisch aber souveränen Staat, darzustellen.
Wie also empfanden die Heranwachsenden, die den Krieg bewusst miterlebt hatten, das neue Österreich? Sie sahen, wie die Schwerstarbeit des Großvaters mit einem "widerwärtigen Almosen" bedacht
wurde und wie die Mutter mittels "Fremdarbeit" Kartoffeln und Kohlen nach Hause buckelte.
Das Kind selbst, Handke in diesem Fall, musste aufs Internat und war dort der "Verachtung des Lebens" durch die Professorenwelt ausgesetzt. Das alles liest sich nicht gerade wie eine Ode an
das Kinderleben in der Nachkriegszeit im Alpenstaat.
Seit einem Jahrzehnt lebt Peter Handke nicht mehr in seinem Geburtsland, sondern in der französischen Hauptstadt Paris. Allzu viel gebessert hat sich in Österreich seiner Meinung nach nicht:
Heute treffe er im Flugzeug gen Heimat "gesichtslose Geschäftsmenschen" und fühle sich sofort an die "alte Unfreiheit? aus der früheren Zeit" erinnert. Freimütig gibt er zu, er könne seine
Landsleute nicht lieben, da Österreich noch immer ein unfreies Land sei.
Von "geheimen Besatzungsmächten" schwadroniert er am Ende eines ansonsten guten Essays, statt frei heraus zu sagen, dass es der Kapitalismus ist, der ihn anscheinend nervt.
Auf einen weiteren hervorstechenden Beitrag im Buch sei noch in Kürze aufmerksam gemacht: Käthe Recheis\' "Als der Bahnhof brannte". Eindringlich veranschaulicht sie, mit welchem Schrecken
Schulkinder in den letzten Kriegstagen leben mussten.
Nicht nur Österreichern vermittelt dieses Buch eine gelungenen geschichtlichen Überblick.
Holger Küppers
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