vorwärts.de: Frau Bernbom, Sie betreiben in Hamburg ein Opernhaus für Kinder und Einsteiger. Wie muss man sich das vorstellen?
Yvonne Bernbom: Die Kunstform Oper ist relativ verstaubt und erreicht nur eine sehr kleine, elitäre Gruppe. Wir versuchen, die junge Generation, also Kinder, aber auch deren Eltern, für die
Oper zu begeistern. Das schaffen wir, indem wir Oper in kurz anbieten. Die Stücke werden für Erwachsene auf 90 und für Kinder auf 70 Minuten gekürzt. Dazu gibt es eine Dialogfassung, sodass Oper
auch verständlich wird für diejenigen, die sonst nicht dorthin gehen.
Wie machen Sie die Oper verständlich?
Bei uns wird nicht nur gesungen, sondern auch gesprochen. Was in der Oper normalerweise durch die Rezitative ersetzt wird, findet bei uns im Dialog statt. So können die Zuschauer der
Handlung besser folgen.
Auf Ihrer Internetseite ist auch die Rede von einem "unaufdringlichen Bildungsprogramm", das die Oper einrahmt. Wie sieht das aus?
Das bezieht sich auf die Theaterpädagogik. Für Grundschulen und Kindergärten bieten wir Unterrichtsmaterial an und gehen direkt in die Schulen. Damit bringen wir den Kindern Oper
buchstäblich nahe. Sie sollen den Inhalt der Stücke vorher kennen lernen und auf spielerische Art und Weise für die Oper begeistert werden. Der Opernbesuch selbst bildet dann den Höhepunkt. Und
zum Abschluss besuchen wir die Kinder dann nochmal und fragen sie, wie es ihnen bei uns gefallen hat und was bei ihnen hängen geblieben ist.
Sie bieten auch eigene Kinderfassungen großer Opern an. Wie machen Sie das?
Wir haben eine eigene Dramaturgin, die für uns die Stücke schreibt und sich eine Geschichte zu der Oper einfallen lässt. Beide müssen nicht in einem direkten Zusammenhang stehen. Die
Geschichte soll die Oper vor allem spannend für die Kinder machen.
Weg von den Kindern, hin zu den erwachsenen Operneinsteigern: Wie kommt Ihr Konzept bei denen an?
Sehr gut. Wir zeigen ja die Highlights der Oper. Viele Melodien sind da schon bekannt - etwa aus der Werbung. Die Länge der Oper durch die Wiederholungen der Arien, die man normalerweise
hat, fällt bei uns weg. So kann jeder die Oper gut "durchhalten". Mittlerweile haben wir viele Stammkunden, die immer wieder kommen. Aber natürlich können es immer mehr sein.
Werden Sie eigentlich von eingefleischten Opergängern belächelt?
Das kommt schon vor. Manch einem gefällt nicht, dass wir nur Kurzfassungen zeigen. Und natürlich haben wir auch kein riesiges Orchester, sondern nur ein Kammerorchester. Mit der Staatsoper
kann man uns also nicht vergleichen. Wir sehen uns aber auch nicht als Konkurrenz, sondern als wichtige Ergänzung. Bei uns bekommt man die Highlights und wer Lust auf Mehr hat, kann dann in die
Staatsoper gehen.
2002 haben Sie die Opernloft gemeinsam mit Ihrer Kollegin Inken Rahardt ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Ich habe während meiner Zeit als Opersängerin viel in kleinen Städten gesungen. Das war schön, aber irgendwann kam die Frage auf "Was mache ich in 20 Jahren?", wenn die Generation der
Operngänger weitestgehend ausgestorben ist. Damals haben wir uns überlegt, dass man bei den ganz Kleinen anfangen muss. Wenn sie in der Kindheit positive Erfahrungen mit der Oper gemacht haben,
gehen sie auch später gerne hin.
Daneben wollten wir jungen Opersängern die Chance geben, auf der Bühne zu stehen. Das war nicht immer leicht. Die Situation an den Theatern hat sich zwar etwas verbessert, aber wahnsinnig
viele Auftrittmöglichkeiten für Gesangsstudenten gibt es immer noch nicht. Da wollen wir ansetzen und den Sängern ein Sprungbrett geben. Es ist schließlich immer schön, wenn man junge, frische
Stimmen hört.
Inzwischen ist die Operloft etabliert und geht in die dritte Spielzeit im eigenen Haus. Trotzdem drückt der Schuh.
Leider steht uns ein unfreiwilliger Umzug bevor. Wir haben unser Theater in die dritte Etage eines Hauses in Hamburg-Eilbek gebaut und viel Geld investiert. Der Besucherverkehr störte dann
aber zunehmend die Nachbarn. Deshalb mussten wir uns nach neuen Räumlichkeiten umsehen, die wir jetzt in der Innenstadt gefunden haben. Einen Mietvertrag gibt es noch nicht, aber wir sind
zuversichtlich, dass es damit bald klappt.
Interview: Kai Doering
Das Opernloft
Im Jahr 2002 gründeten die Opernsängerinnen Yvonne Bernbom und Inken Rahardt das
Junge Musiktheater Hamburg. Mit ihrer ersten Produktion "Die Zauberflöte" reiste das damalige Tourneetheater durch ganz Deutschland, zahlreiche
Produktionen folgten. 2007 wurde die Probebühne des JMH in der Eilbeker Conventstraße in Hamburg zur ersten eigenen Spielstätte umgebaut. Die Eröffnung wurde im September gefeiert. Doch Anfang
2009 kam es zu einigen Problemen mit der Hausverwaltung und einigen Nachbarn wegen des Geräuschpegels vor uns nach den Vorstellungen. Ein neuer Raum musste her, der vor kurzem in der Hamburger
Innenstadt gefunden wurde.
www.opernloft.de