Kultur

„One Word“: Hoffnung in einem vom Klimawandel bedrohten Paradies

Kein anderes Land ist so stark vom Klimawandel bedroht wie die Republik Marshallinseln. Der engagierte Dokumentarfilm „One Word“ stellt die Betroffenen in den Mittelpunkt und bringt Erstaunliches ans Licht.
von ohne Autor · 18. Dezember 2020
Die Marshallinseln im Pazifik: Hier könnte in wenigen Jahrzehnten Land unter sein.
Die Marshallinseln im Pazifik: Hier könnte in wenigen Jahrzehnten Land unter sein.

Auf den Marshallinseln werden die Strände schmaler. Und das ist nur einer von vielen sichtbaren Effekten des Klimawandels. Wer noch immer an diesem globalen Problem zweifelt, sollte sich näher mit dem Inselstaat im Pazifik beschäftigen. Die Republik mit etwa1.000 Inseln und rund 53.000 Einwohner*innen wird im Jahr 2050 wegen des ansteigenden Meeresspiegels wohl von der Landkarte verschwunden sein, sagen Wissenschaftler*innen voraus. Was sich im fernen Ozeanien abspielt, zeigt auf, was auch anderen Ländern blühen könnte.

Wie leben die Menschen auf den Marshallinseln mit den Folgen der Erderwärmung und den düsteren Zukunftsaussichten? Welche Strategien entwickeln sie, um ihre Zivilisation zu erhalten? Und: Lässt sich der sprichwörtliche Untergang einer ganzen Kultur vielleicht doch noch stoppen? Diesen Fragen geht der Dokumentarfilm „One Word“ nach. Neun Monate lang drehten die in Berlin beheimateten Viviana (Regie) und Mark Uriona (Kamera) in einer vielerorts noch immer paradiesisch anmutenden Landschaft. Doch die Bedrohung ist stets spürbar. Luftbilder zeigen längliche Inseln, die sich wie ein Hauch von Land aus dem Wasser erheben. An vielen Stellen liegen sie gerade mal zwei Meter über dem Meeresspiegel. Die immer näherkommenden Wellen nagen geradezu an den Siedlungen.

Keine Illusionen

Die Gesprächspartner*innen machen sich keine Illusionen über ihre Lage. Viele von ihnen befassen sich von Berufs wegen mit Umwelt- und Klimafragen und engagieren sich politisch. Einer von ihnen ist Also Kelen von der Nationalen Atomkommission. Er weiß, was es bedeutet, wegen menschengemachter Probleme seine Heimat zu verlieren. In den 70er-Jahren musste er als Kind mit seiner Familie das Bikini-Atoll verlassen, weil die Strahlenbelastung infolge der Atomtests der USA stärker war als zunächst angenommen. „Wir werden zuerst untergehen“, sagt er. „Doch entlang der Küsten reicher Länder liegen Orte, die mit uns untergehen werden.“

Kelen ergeht sich aber nicht nur in drastischen Prognosen. Er gehört zu denen, die sich, die Konsequenzen des Klimawandels vor Augen, für eine nachhaltige Lebensweise engagieren, die mitunter auf lokalen Traditionen aufbaut. Wie wäre es zum Beispiel mit motorisierten Kanus und Kokosöl als Antriebsstoff anstelle von konventionellen Frachtern mit Dieselmotoren?

Auf den Marshallinseln ist trotz der allgegenwärtigen Bedrohung noch immer Platz für Optimismus, wenn nicht gar Visionen. Und das macht die besondere Tonalität des Films aus. Nicht ohne Grund: „One Word“ versteht sich als partizipatives Projekt. Das heißt konkret: Das Filmteam bezog die Menschen, um die es ging, in die Entwicklung des Dokumentarfilms ausgiebig mit ein.

Vom Ernährer zum Feind

Im Sinne der Objektivität mag dieser Ansatz auf den ersten Blick heikel klingen. Tatsächlich aber liefern die Marshaller*innen ein breites Spektrum von sehr reflektierten Sichtweisen über die Situation ihres Landes und zeigen zugleich, was all das für sie persönlich bedeutet. Ihnen geht es nicht nur um eine ökologische, sondern auch um eine kulturelle Krise: Seit Tausenden von Jahren leben die Menschen auf den Marshallinseln vom Ozean. Nun droht er, zu ihrem ärgsten Feind zu werden.

Ergänzt werden die dennoch meist ebenso nüchtern wie engagiert vorgetragenen Statements durch Einlassungen auswärtiger Wissenschaftler*innen, die das, was sich im Pazifik abspielt, äußerst anschaulich vertiefen. Auf einen einordnenden oder erzählenden Kommentar wird verzichtet.

Positive Stimmung

Wie ein roter Faden zieht sich vor allem ein Standpunkt durch die Gesprächssequenzen: Um dem Klimawandel wirksam zu begegnen, muss man ihn erst mal als Problem anerkennen. Auf den Marshallinseln ist man in dieser Hinsicht notgedrungen weiter als in vielen anderen Weltregionen. Auch deswegen richten sich die Akteur*innen immer wieder an Menschen in jenen Ländern, die die Hauptverantwortung für die Klimamisere tragen.

„One Word“ stimmt einen nachdenklich und hinterlässt dennoch Hoffnung und eine positive Stimmung. Dieser bleibende Eindruck zählt zu den großen Überraschungen dieses sehr unaufdringlichen und gerade auch deswegen sehr berührenden Films.

Info: One Word (Deutschland/Republik Marshallinseln 2020), Regie: Viviana Uriona, Kamera: Mark Uriona, OmU, 83 Minuten.

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