Kultur

Ohne Meisterbrief

von Katarina Günther · 2. August 2010
placeholder

Wer sich im Handwerk oder angrenzenden Bereichen selbstständig machen will, muss sich auf "allerhand Hürden gefasst machen", schreibt der Autor Diplomvolkswirt Michael Wörl im Vorwort. Und der Gewerberechtsexperte Rolf Stober setzt noch einen drauf: "Überspitzt formuliert, kann man sagen, dass im Handwerksrecht so gut wie alles heftig umstritten ist." Da ist guter Rat teuer. Nicht bei Michael Wörle, der zu allen Fragen rund um die Selbstständigkeit ohne Meisterbrief kompetente Antworten gibt. Wer sich selbstständig machen will, wird in diesem Ratgeber fündig.

Das Problem - seine Vergangenheit und seine Zukunft

Wieso ist das Gründen eines Handwerksbetriebes so schwer und worin liegen die in Europa einzigartigen Gründungshemmnisse begründet? Darum geht es im ersten Kapitel. Wörle blickt in die Geschichte des Meisterbriefes. Seinen Ursprung hat der Meisterbrief in dem Zunftwesen des 12. Jahrhunderts. 1731 wurde die Entmachtung der Zünfte eingeleitet. Doch erst 1908 kam der kleine Befähigungsnachweis ins Spiel und 1935 führten die Nationalsozialisten den großen Befähigungsnachweis ein.

2004 brachte eine große Handwerksreform einige Neuerungen und Erleichterungen. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigte Neuregulierungen lassen jedoch genauso auf sich warten wie eine europarechtlich einheitliche Regelung. Die Kernregulierung in der deutschen Handwerksordnung, erst die Prüfung macht den Meister, besteht also auch in Zukunft fort.

Auch das Bundesverfassungsgericht sieht die Meisterprüfung als mit dem Grundgesetz vereinbar und zum Schutze des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit als notwendig an. Die Folge ist eine erhebliche Unsicherheit, die begabte Techniker, Künstler, Produzenten und Händler davon abhält, sich ihrer Arbeit zu widmen. Stattdessen müssen sie sich mit der Bürokratie herumplagen, wenn sie sich selbstständig machen wollen.

Die Lösung

Im zweiten Kapitel beschäftigt sich Wörle damit, was überhaupt ein Handwerk im Sinne der Handwerksordnung ist. Er zeigt Wege auf, wie es gelingen kann, den eigenen Betrieb - ohne Meisterprüfung oder ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein - zulassen zu lassen.

Eine sorgfältige Gründungsplanung ist existenziell. Schnell kann die Gewerbeanmeldung den Handwerker in hohe Schulden stürzen oder noch schlimmer mit der Betriebsschließung enden. Damit das nicht passiert, widmet sich Wörle im dritten Kapitel der Marktanalyse, dem Businessplan, der Standortwahl, der Finanzierung und dem Marketing. Anhand vieler Tabellen und Schemata werden dem Leser Marketing- und Finanzierungsmodelle erklärt, wird das nötige Wissen zu den Themen Steuern und Buchführung vermittelt. Ein Selbsttest hilft, die eigene Unternehmerfähigkeit einzuschätzen.

Der Unternehmenserfolg

Will der einzelne Handwerker mit seinem Unternehmen mehr erreichen, als nur den eigenen Arbeitsplatz zu schaffen, muss er strategisch vorgehen. Im letzten Kapitel gibt Wörle Tipps zu den sieben wichtigsten Bausteinen des Unternehmensentwicklungsprozesses: Standortbestimmung, Unternehmens-Strategie, Konsolidierung, Unternehmens-Struktur, Ergebnisverantwortung, Controlling und Mitarbeiterbeteiligung.

Michael Wörle, Geschäftsführer des IF Handwerk e.V. (Interessenverband freier kritischer Handwerkerinnen und Handwerker) und Inhaber der MW Unternehmensberatung in Schenefeld, hat mit zahlreichen Veröffentlichungen die Diskussion um den Meisterzwang im Handwerk maßgeblich beeinflusst. Sein Ratgeber zeichnet sich durch eine verständliche klare Sprache, anschauliche Beispiele und Übersichten aus. Er bezieht auch die aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung ein. Im Anhang befinden sich die Anlagen A, B1 und B2 der Handwerksordnung, die Gewerbe aufzählen, die als zulassungspflichtig, zulassungsfrei und handwerksähnlich betrieben werden können.

Das Handbuch hilft kreativen und findigen Handwerkern beimStart in die Selbstständigkeit, denn, wie es schon bei Goethe heißt: "Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande."

Michael Wörle: Selbstständig ohne Meisterbrief, Beck-Rechtsberater im dtv, München 2009, 273 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-423-50673-1

Autor*in
Katarina Günther

ist promovierte Rechtswissenschaftlerin und Journalistin. Ihre Schwerpunkte sind juristische und steuerrechtliche Themen.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare